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Europa

Lech Wałęsa – "Praktiker, Politiker und Revolutionär" zu Europa

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 19.09.2020
Lech Wałęsa, erscheint mir heute wie ein Fossil aus einer sagenhaften Zeit. Und doch hat dies alles innerhalb meines bewussten Lebens stattgefunden. Wer erinnert sich noch an 1970, als 80 Arbeiter in Danzig von der Polizei getötet wurden? Damals ging Wałęsa das erste Mal für ein Jahr ins Gefängnis – wegen  "anti-sozialen Verhaltens". Acht Jahre später gründete er im Untergrund die Organisation der "Freien Gewerkschaften Pommerns". 1980 der Streik und die Besetzung der Danziger Werft sowie Generalstreik im sozialistischen Polen. Im selben Jahr die Gründung und Legalisierung der systemunabhängigen Gewerkschaft Solidarność. Wałęsa wurde zum Vorsitzenden gewählt. Dann 1981 kam das Kriegsrecht und das erneute Verbot der freien Gewerkschaft. 1983 erhielt Lech Wałęsa den Friedensnobelpreis. Und dann, am 6. Februar 1989, trat in Warschau erstmals ein Runder Tisch zusammen – mit Wałęsa als Sprecher der "Nicht-Regierungsseite". Spätestens da war das Ende des realsozialistischen Lagers abzusehen. Mit den ersten endgültig freien Wahlen von 1991 erhielt die Opposition alle bis auf einen Sitz (99 von 100) im neu gegründeten Senat. Im Dezember 1990 gewann Wałęsa die Präsidentschaftswahlen und wurde für fünf Jahre Polens Präsident. Sein Stil  allerdings wurde von allen Seiten kritisiert und er verspielte einen großen Teil der Unterstützung der polnischen Bürger. Polen aber entwickelte sich während seiner Präsidentschaft zu einer demokratischen Marktwirtschaft.

Wenn man heute z. B. das Interview mit ihm in der taz liest, merkt man (neben einer gewissen Selbstverliebtheit?), er ist ein Pragmatiker:
Russland wird sich irgendwann mit dem Rest Europas arrangieren müssen. Die Zeit der Nationalstaaterei und der Kriege ist vorbei. Wir stehen heute vor ganz anderen Herausforderungen als noch vor einem Jahrhundert. Die globalen Probleme löst kein Staat mehr allein.
Ob seine Ansichten zur EU realistisch sind, mag jeder selbst beurteilen. Zumindest zeigt er klare Kante:
Die EU ist heute sehr schwach. Es gibt zu viele antagonistische Kräfte innerhalb der EU. Es wäre gut, wenn die Deutschen, Franzosen und Italiener entweder die EU von innen reformierten oder aber – nachdem sie zuvor von Großbritannien, Polen, Ungarn und Konsorten zerstört wurde – von Neuem gründeten. Wie zuvor sollte jeder beitreten können, also auch diejenigen Staaten, die vorher unbedingt rauswollten. Allerdings müssten sie einen ganz klaren Rechte-und-Pflichten-Katalog unterschreiben, dessen Einhaltung dann auch streng kontrolliert werden sollte. 
Sein Vertrauen in Deutschland als "Führungsnation" immerhin ist beeindruckend und vielleicht sollten wir uns in seinem Sinne wirklich an die Arbeit machen. 
Lech Wałęsa – "Praktiker, Politiker und Revolutionär" zu Europa

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Kommentare 1
  1. Ulrich Krökel
    Ulrich Krökel · vor 4 Jahren

    Wunderbar, lieber Kollege,
    den Text wollte ich auch zur Lektüre empfehlen. Also danke für den piq!

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