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Europa

Wie man Covid-Desinformation mit Empathie und Gesprächen kontert

Cristina Belda
Journalist
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Cristina BeldaFreitag, 24.12.2021

Cristina Belda kuratiert europäische Stimmen aus Großbritannien für piqd.

Vor einigen Tagen besuchte ich meine Hausarztpraxis in London – der Grund war Ermüdung infolge einer Covid-Erkrankung. Im Warteraum bekam ich zufällig ein Telefongespräch zwischen einem Jugendlichen und seiner Mutter mit. Er war sehr laut, und er trug keine Maske.

„Mum, ich sag es dir noch einmal, ich lass mich nicht impfen“, sagte er. „Erklär mir mal eins: Wie kommt es, dass sie die Covid-Impfung innerhalb eines Jahres gefunden haben, aber sie haben noch kein Mittel gegen Krebs entwickelt? Es ist so dumm, Mum. Und sowieso, wenn Covid überall ist, weshalb habe ich es noch nicht bekommen?“

Das Gespräch ging so weiter, mit Verschwörungstheorien hier und da, Beschimpfungen von Boris Johnson, und einer detaillierten Erklärung, wie ihn Marihuana bei guter Gesundheit hält. Ich hatte nicht die Kraft, mich aufzuregen. Stattdessen fragte ich mich, was wohl die Antwort am anderen Ende der Leitung sein könnte. Versuchte seine Mutter, ihn zu überzeugen, oder stimmte sie ihm einfach zu, um einen Streit mit ihrem Teenager zu vermeiden? Was hätte sie denn sagen können, um ihn umzustimmen? Ich fragte mich, ob es bei seinen Freunden ähnlich war – denn oft verleihen Verschwörungstheorien den Anhänger:innen ein Gefühl der Zugehörigkeit –, und wie viele Familien in einer solchen Situation schweigen würden.

Da dachte ich an diesen Artikel in The Conversation. Er erklärt, wie Desinformation durch Empathie und Gespräche gekontert werden kann. Es gibt hierfür praktische Beispiele. So gibt es etwa in Deutschland Informationszentren, die kostenlose, vertrauliche Beratung bieten für Leute, die Fakten überprüfen wollen, oder die Hilfe brauchen mit Familienmitgliedern, die an Verschwörungstheorien glauben. Die Leute wollen zum Beispiel wissen, ob es Gesprächsstrategien gibt, um andere Leute davon zu überzeugen, dass sie falsch liegen, und werden entsprechend beraten.

Die Autoren haben zudem ein Handbuch in zehn Sprachen geschrieben, in dem sie darlegen, wie man mit Desinformation umgeht, und – genauso wichtig – wie man Verschwörungstheorien ausmacht. 

Es stellt sich heraus, dass Empathie und aktives Zuhören – auch wenn man eine ganz andere Meinung hat – besser wirkt als die direkte Konfrontation – wie so oft im Leben.  

Wie man die Covid-Desinformation mit Empathie und Gesprächen kontert

von Stephan Lewandowsky, Lehrstuhl für Kognitive Psychologie, University of Bristol und Philipp Schmid, Postdoktorand im Horizon 2020 Projekt, Universität Erfurt.

Seit ihrem Beginn vor bald zwei Jahren wird die Covid-Pandemie begleitet von einer „Infodemie“ an Falschinformationen und Verschwörungstheorien. Falschinformationen schmälern oft die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, wodurch mehr Menschen einem Risiko ausgesetzt werden.

Die Spannung zwischen Geimpften und solchen, die Impfungen ablehnen oder die Wissenschaft dahinter anzweifeln, können Familien spalten und Freundschaften kaputtmachen, besonders wenn Angehörige sich in Verschwörungstheorien vertiefen, bei denen es etwa um den Ursprung von Covid-19 oder um das Tragen von Gesichtsmasken geht.

In Deutschland, das derzeit von einer großen vierten Covid-Welle erfasst worden ist, suchen mehrere Bundesländer nach neuen Wegen, um Falschinformationen über Impfungen sowie Covid-Leugnung zu kontern. Manche Länder stützen sich auf wissenschaftliche Forschungen über Desinformation – also falsche Informationen, die bewusst verbreitet werden –, und haben Zentren errichtet, die kostenlose und vertrauliche Beratungen anbieten; die Beratungen richten sich sowohl an Leute, die Fakten überprüfen wollen, als auch solche, die Hilfe suchen, weil ein Familienmitglied sich von falschen Fakten überzeugen lässt.

Beratungszentren gegen Desinformation

Ein Zentrum in Baden-Württemberg zum Beispiel bietet Telefon-Beratungen an. Wie in ihrem Jahresbericht steht, gibt es viele Leute, die sich fragen: „Wie kann mit demjenigen, der an Verschwörungstheorien glaubt, umgegangen werden?“, oder: „Gibt es Gesprächsstrategien, um den anderen davon zu überzeugen, dass er falsch liegt?“ 

Im Jahr 2020 meldeten sich fast 300 Personen mit Informations- und Beratungsanfragen beim Zentrum in Baden-Württemberg. Die größte Kategorie waren Anfragen wegen Verschwörungstheorien. Ähnliche Beratungsstellen zur Bekämpfung der nachteiligen Folgen von Verschwörungstheorien gibt es auch in Berlin und in Nordrhein-Westfalen.

Mehrere Studien haben ergeben, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Glauben an Verschwörungstheorien und der Ablehnung von lebensrettenden Präventivmaßnahmen wie Impfungen. Studien aus Deutschland zeigen, dass eine höhere Akzeptanz von Falschinformationen in enger Beziehung steht mit einer Unterstützung für die rechtsextreme Alternative für Deutschland, sowie mit einer Präferenz für soziale Medien als Newsquelle. Und bereits vor der Pandemie haben Forschungen gezeigt, dass Leute, die Verschwörungstheorien ausgesetzt sind, Entscheidungen treffen, die ihrer Gesundheit schaden. 

Gemäß einigen vorläufigen Studien über Desinformation, die noch vollständig geprüft werden müssen, könnte dies zur Folge haben, dass sich die Leute weniger strikt an Vorgaben wie Social Distancing halten – was wiederum zu einem Anstieg der Fallzahlen führen könnte.

Die Beratungsstellen in Deutschland stützen sich auch auf eine Technik, die als „Motivierende Gesprächsführung“ bekannt ist. Dabei werden offene Fragen gestellt. Anstatt beispielsweise einen Freund oder ein Familienmitglied mit Fakten über die Sicherheit von Impfungen zu überschütten, sollte man der Person Raum geben, ihre Ängste zu äußern, indem man etwa fragt: „Was hältst du von Impfungen?“ Man sagt also nicht: „Nein, da liegst du falsch“, oder macht sich gar über die Person lustig, sondern man akzeptiert den Entscheidungsprozess dieser Person als völlig verständlich – „Oh ja, das habe ich auch in den sozialen Medien gelesen. Klingt total beängstigend.“

Falschinformationen widerlegen

Nachdem man auf diese Weise Respekt und Empathie gezeigt hat, kann man vorsichtig vorschlagen, die Fakten darzulegen, indem man fragt: „Darf ich dir erzählen, was ich über diese Posts in den sozialen Medien weiß?“ Der Erfolg ist nicht garantiert, aber ein Misserfolg ist viel wahrscheinlicher, wenn man einen direkten, konfrontativen Ansatz wählt – auch wenn er verlockend sein mag.

Die Beratungsstellen stellen auch Broschüren zur Verfügung, die helfen, Verschwörungstheorien auszumachen. Wir haben ein Handbuch zusammengestellt, erhältlich in zehn Sprachen, in dem wir zeigen, wie Covid-Desinformation widerlegt werden kann, und wie man wissenschaftliche Informationen über Impfungen am besten kommuniziert.

Eine vielversprechende Forschungsrichtung, über die wir berichten, macht sich die Immunisierungs-Theorie zunutze. Ihr Name kommt daher, dass dahinter eine ähnliche Idee stecke wie die medizinische Impfung: Sie gibt den Leuten die nötigen Mittel, um spätere Attacken durch Falschinformation abzuwehren. Bei der Immunisierung erhalten Personen Informationen über die Art und Weise, wie sie in die Irre geführt werden, ohne dass man genau weiß, um was für Falschinformation es sich handelt. Wenn man weiß, wie Verbreiter von Desinformation vorgehen (indem sie etwa inkohärente Argumente vorbringen oder die Emotionen ansprechen), kann man Leute dagegen „immunisieren“, sich von falschen Fakten überzeugen zu lassen.

Uns allen kann es passieren, dass Angehörige plötzlich an Verschwörungstheorien glauben. Initiativen wie jenen in Deutschland, genauso wie digitale oder gedruckte Informationsbroschüren, sind eine Möglichkeit, wie wir den psychologischen Schaden, den Covid-19 in unseren Familien und Freundeskreisen anrichtet, begrenzen können.

Wissenschaftsgestützte Krisenkommunikation baut auf Empathie und kritischem Denken. Diese zwei Fähigkeiten müssen eine zentrale Rolle spielen in der Ausbildung für Ärzte, die solche Themen mit ihren Patient:innen besprechen, aber sie dienen auch dazu, die Öffentlichkeit besser auf die Infodemie und ihre Folgen vorzubereiten.

Übersetzt von Peter Stäuber.

Wie man Covid-Desinformation mit Empathie und Gesprächen kontert

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Kommentare 4
  1. Christoph Weigel
    Christoph Weigel · vor fast 3 Jahre

    "Deutsche Desinformationszentren"
    ist ist ein besonders unglücklich zusammengesetztes nomen. manchmal müssen es leider ein paar worte mehr sein.

    1. Maximilian Rosch
      Maximilian Rosch · vor fast 3 Jahre

      Verstehe, was du meinst und überlege, was besser wäre: "(Deutsche) Beratungszentren gegen Desinformation?"

    2. Christoph Weigel
      Christoph Weigel · vor fast 3 Jahre

      @Maximilian Rosch wenn irgendwo das wortgetüm "beratungszentrum" dransteht, braucht es eigentlich das "deutsche" nicht mehr, aber sonst: da ein "Beratungszentren gegen Desinformation" nicht zweideutig ist, ist es, sollte es gegenüber "Desinformationszentren" den vorzuge erhalten.

      es ist ein ähnlich gelagertes sprachliches problem wie bei den "klimaleugnern", das in der mitte fehlende 'wandel' wird schmerzlich vermißt. auch wenn journalist·innen zu recht gern kurz&knapp formulieren, darf das eigentlich nicht zu lasten der eindeutigkeit gehen. soviel rütteln an der kurzen aufmerksamkeitsspanne der leser·innen darf dann schon sein :-)

  2. Eric Bonse
    Eric Bonse · vor fast 3 Jahre

    Was ist COVID-Desinformation? Wir befinden uns in dieser Pandemie in einem permanenten Lernprozess. Was gestern noch letzter Stand der Wissenschaft war, ist heute schon falsch oder unzureichend. Das ist völlig normal, denn die Wissenschaft schafft neues Wissen, und die Pandemie entwickelt sich weiter. Ich wäre mit diesem Begriff daher vorsichtig - zumal der Begriff Desinformation unscharf definiert ist.

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