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Flucht und Einwanderung

Desintegriert und Spaß dabei: Czolleks Appell für radikale Vielfalt

Fabian Goldmann
mal Journalist, mal Islamwissenschaftler, je nachdem

...hab damals den Einschreibungstermin für Theoretische Physik verpasst. Das hab ich jetzt davon.

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Fabian GoldmannDonnerstag, 23.08.2018

Mit jeder neuen Integrationsdebatte rutscht auf meiner "musste irgendwann mal schreiben"-To-do-Liste wieder ein Buchprojekt ganz nach oben. Das geht ungefähr so: Zu vielen Zeiten und an vielen Orten lebten Menschen in friedlicher Desintegration bis die dominante Mehrheitsgesellschaft erfunden wurde: Eine Kulturgeschichte der Integrationsforderung. Ok, steile These, aber allein des provokanten Titels wegen wollte ich längst geschrieben haben: "Integriert euch nicht!".

Das nur vorab, um verständlich zu machen, welcher Schreck mich neulich in der Buchhandlung durchfuhr, als ich da scheinbar mein Buch mit nur leicht abgewandelten Titel liegen sah: "Desintegriert euch!" von einem gewissen Max Czollek. Unschlagbarer Vorteil seiner Version allerdings: Sie bestand nicht nur aus Titel, sondern auch aus Buch.

Dass Letzteres nicht nur Provokation zu bieten hat, erläutert Ann-Kristin Tlusty in ihrer Rezension für Zeit Online. Czollek schreibt locker im Ton aber hart in der Sache über deutsche Abgrenzungsrituale: die Überhöhung des Wir, die Abwertung von allen anderen, das Wegducken vor der Geschichte und das Kuschen vor Rechts. Das haben freilich schon andere gemacht, aber wenige waren auch in ihrer Schlussfolgerung so konsequent. Die einzige Alternative zum rechtsduseligen deutschen Wir-Gefühl: Eine Gesellschaft, die sich über ihre "radikale Vielfalt" definiere, nicht über eine dominierende Gruppe. Rezensentin Tlusty scheibt:

"Desintegriert euch! ist eine Absage an all das: an die Softifizierung neurechten Denkens, an die Idee einer unbefangenen Heimatliebe, an die Selbstbeweihräucherung als Erinnerungskulturweltmeister und an die Instrumentalisierung der jüdischen Bevölkerung zur Abgrenzung vom bösen Islam."

Eine Rezension, die Lust macht auf ein unterhaltsames, wichtiges, anregendes Buch mit m̶̶e̶̶i̶̶n̶̶e̶m̶ einem super Titel.

Desintegriert und Spaß dabei: Czolleks Appell für radikale Vielfalt

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Kommentare 1
  1. Uwe Protsch
    Uwe Protsch · vor mehr als 6 Jahre

    Die Rezensentin behauptet: "Czollek schreibt also aus jüdischer Perspektive gegen das Integrationsparadigma an." Dieser Satz klingt schon irgendwie blöd, oder? Ist es nicht völlig egal, aus welcher Perspektive er schreibt? Wäre Czollek glaubwürdiger oder unglaubwürdiger, wenn er nicht "aus jüdischer Perspektive" schreiben würde? Schreibt er überhaupt "aus jüdischer Perspektive"? Ich glaube nicht.

    Ist jetzt polemisch, aber vielleicht beweist der Satz "Czollek schreibt also aus jüdischer Perspektive gegen das Integrationsparadigma an." gerade besonders gut, dass "die Deutschen" nach wie vor kein gesundes Verhältnis zu ihrer Vergangenheit haben, sondern "Jüdischsein" immer noch als "Anderssein" bewerten.

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