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Ali Aslan Gümüsay (DPhil, Universität Oxford) ist Postdoktorand an der Universität Hamburg und Research Fellow an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er erforscht wie Werte und Sinn Organisationen, Wirtschaftsethik, Entrepreneurship und Führung prägen. Zuvor war er DAAD PRIME Fellow an der Universität Hamburg und der Wirtschaftsuniversität Wien, Lecturer am Magdalen College der Universität Oxford, Research Fellow bei LEAD Academy und Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group. Er ist Mitglied in den Beiräten von Concordia Forum, Zahnräder Netzwerk, Ramsa sowie Oxademy.
Der Artikel hat die Bundestagswahl zum Anlass genommen, ist aber heute noch genauso relevant wie vor dem 24. September. Wir Deutschen sind zufrieden und depressiv zugleich. Wir glauben, dass es uns gut geht.
Gleichzeitig geht eine soziale Schere auf:
Die Mittelschicht profitiert zwar vom Boom. Während die oberen 60 Prozent teilweise kräftig mehr verdienen, sieht es bei den unteren 40 Prozent anders aus. Sie haben, laut Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, real weniger als vor zwanzig Jahren.
Wir glauben, wir leben postmateriell, sind aber zutiefst materiell aufgestellt. Wir sind zufriedene Bürger, denen es aber zum Teil gar nicht so gut geht:
Denn ebenso steil wie die Zahlen in den Glücksindexen nach oben weisen, so steil steigen auch der Konsum von Antidepressiva (doppelt so viel wie vor zehn Jahren) und die Krankschreibungen wegen psychischer Störungen an. Burn-out-Diagnosen haben sich in den letzten zehn Jahren fast verzwanzigfacht. Derzeit leiden rund vier Millionen Bürger an einer Depression, der typischen Krankheit der überforderten Ich-Gesellschaft.
Der Soziologe Ehrenberg, den der Autor des Textes zitiert, sieht so die Depression als Nachtseite eines flexiblen Kapitalismus. Das Ergebnis ist ein Verschwimmen von Grenzen zwischen Selbstverwirklichung, Selbstoptimierung und Selbstüberforderung. Das Motto "sei (einfach) du selbst" hat so ein Janus-Gesicht: es ist Versprechen und Joch zugleich.
Das Ideal im flexiblen, hedonistischen Kapitalismus ist nicht mehr der pflichtbewusste Angestellte, der um fünf Uhr nach Hause geht, sondern der Kreative, der sich in seinem Job selbst verwirklichen will und allzeit erreichbar ist. Job und Privates verschwimmen, das Ich wird selbst zur Arbeit.
Die Analyse des Patienten Deutschland ist damit: alles ist OK und wir sind (fast) KO.
Düster endet der Text damit, dass es mit Merkel keine Zukunft gebe, weil es keine grundlegenden Änderungen geben werde.
Quelle: Stefan Reinecke Bild: Eléonore Roedel taz.de
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