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Kim Jong-un will nicht nur spielen

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannSamstag, 30.09.2017

Der amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Thomas Schelling hat viele sprachliche Bilder des Kalten Krieges geprägt, indem er die Spieltheorie auf politische Konflikte anwandte. Die Spieltheorie kann auf alles mögliche angewandt werden. Von der Wahl des neuen Mitbewohners bis zur Entscheidung, sich nukleare Langstreckenwaffen zuzulegen. Denn:

"Bei beiden hängt die richtige Entscheidung stark davon ab, wie jemand anders entscheidet: zum Beispiel von den potentiellen Nachbarn, die bleiben, aber auch umziehen können, oder von feindlich gesinnten Staaten, die mit einem Erstschlag drohen. Solche Entscheidungen sind Gegenstand der „Spieltheorie“, die nach den richtigen Strategien in Situationen fragt, in denen ich gerne wissen würde, aber nur antizipieren kann, wie der andere entscheidet", schrieb die FAZ in einem Nachruf auf Schelling.

In dieser epischen Reportage aus dem New Yorker geht es nicht direkt um Schelling, sondern darum, wie Evan Osnos - auch der Autor eines der besten Portraits von Chinas Präsident Xi Jinping - versucht, die Spieltheorie auf den immer weiter eskalierenden Konflikt zwischen den beiden Atommächten USA und Nordkorea anzuwenden:

I wanted to understand how North Koreans think about the kind of violence that their country so often threatens. Were the threats serious, or mere posturing? How did they imagine that a war would unfold? Before my arrival in North Korea, I spent time in Washington, Seoul, and Beijing; many people in those places, it turned out, are asking the same things about the United States.

Osnos findet während seines Aufenthaltes keine Geheimnisse heraus. Er macht aus seiner Reise auch keine Heldengeschichte. Wie alle Journalisten wird er genau überwacht, jeder Schritt seiner Reise ist exakt orchestriert. Dennoch ist die Reportage ein Lehrstück darüber, wie Erwartungen die Politik steuern und wie die eigenen Ziele ohne die Kenntnis der Ziele des anderen nicht erreicht werden können. Kurz: Auch Nordkoreas "Raketenmann" hat rationale Motive für sein Handeln, und die liegen nicht im Safe, sondern sind - wie Osnos beweist - mit herkömmlichen Methoden ermittelbar. Wäre gut, wenn der amerikanische Raketenmann das mal versteht, bevor der halbe Planet zerbombt ist. Denn eins ist sicher: Die Nordkoreaner bluffen nicht:

“A few thousand would survive,” Pak said. “And the military would say, ‘Who cares? As long as the United States is destroyed, then we are all starting from the same line again.’ ” He added, “A lot of people would die. But not everyone would die.”
Kim Jong-un will nicht nur spielen

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