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Nichts ist unmöglich - Paul Feyerabend heute gelesen

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMittwoch, 11.09.2019

Es ist immer wieder spannend, einen Text nach einigen Jahrzehnten noch einmal zu lesen bzw. neu bewertet zu sehen. Wie in diesem Artikel,  Werk und Motto „Anything Goes“ des Wiener Wissen­schafts­phi­lophen Paul Feyerabend aktuell analysiert. Feyerabend hatte als Popper-Schüler in seinem  Buch „Against Method“ (Wider den Metho­denzwang. Skizze einer anar­chis­ti­schen Erkennt­nis­theorie, 1976) dessen Annahme ˋwiderlegt´,  dass sich die Evolution der abend­län­di­schen Wissen­schaft nach ratio­nalen Regeln (wie etwa der Falsi­fi­kation) vollziehe. 

An vielen wissen­schafts­his­to­ri­schen Beispielen und bis in komplexe Details hinein konnte er zeigen, dass sich neue wissen­schaft­liche Theo­rien oder Ansichten, die – wie etwa der Über­gang zum koper­ni­ka­ni­schen Welt­bild – übli­cher­weise als „Fort­schritt“ bezeichnet würden, nicht aus Gründen über­le­gener Ratio­na­lität, geschweige denn metho­di­scher Strenge durch­ge­setzt hätten. Sie seien viel­mehr unter voll­kommen kontin­genten, das heißt zufäl­ligen Bedin­gungen erfolg­reich geworden, oft nur dank „absurder“ Ideen von Außen­sei­tern – und zuweilen auch erst unter Anwen­dung von Gewalt. Auf diese Weise, und nicht aus „ratio­nalen“ Gründen, würden sie dann als neue „Ideo­lo­gien“ – so Feyer­abend – akzep­tiert. Im Expe­ri­ment „falsi­fi­zierbar“ waren und sind sie oft nicht, weil sie nicht einfache, über­prüf­bare Sach­ver­halte aussagen, sondern, wie etwa die Kosmo­lo­gien von Koper­nikus oder Einstein, ganze Welt­bilder darstellen, die den theo­re­ti­schen Apparat, mit dem sinn­voll über sie gespro­chen werden kann, selbst erst erschaffen.

Ich hatte dieses „Anything Goes“ auch immer als eher ironisch gemeint interpretiert. In dem Sinne, dass die Gesellschaft oder zumindest Teile davon,  Theorien auch als „wahr“ akzeptieren, solange sie (sozusagen als Placebo) erwartete Wirkung zeigen. Der Artikel legt nahe, das dies sehr viel ernster gemeint war. Der Autor sieht zwar Feyerabend nicht wirklich als Esoteriker, meint aber, dieser argumentiere iden­ti­täts­po­li­tisch: 

„Eine west­liche Demo­kratie“ könne „keine Hopi-Kultur im vollen Sinne des Wortes enthalten; sie kann keine schwarze Kultur im vollen Sinne des Wortes enthalten; sie kann keine jüdi­sche Kultur im vollen Sinne des Wortes enthalten“. Eine Aner­ken­nung solcher Kulturen und Iden­ti­täten sei unter den Bedin­gungen der „unhei­ligen Allianz“ von Demo­kratie, Kapi­ta­lismus und Ratio­na­lismus nicht möglich, und diese Kulturen seien daher in ihrer Exis­tenz bedroht. 

Nun kann wahrscheinlich keine Kultur eine andere „im vollen Sinne des Wortes“ enthalten. Allerdings glaube ich, dass zumindest die westliche Demokratien (im Unterschied zu anderen) das Problem vernünftig erkennen könnten und anderen Kulturen gewisse tolerante Rahmen bieten. Was aus meiner Sicht ein großer Vorteil wäre. Wie auch immer, ich werde Feyerabend wohl neu lesen.

Nichts ist unmöglich - Paul Feyerabend heute gelesen

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Kommentare 1
  1. Christoph Weigel
    Christoph Weigel · vor 5 Jahren

    (den "Esotherikern" darfst du gern ein h streichen, es sind ja keine Apotheker)

    vom griechischen ἐσωτερικός, ohne theta, also kein th.

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