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Kurator'in für: Medien und Gesellschaft Kopf und Körper Flucht und Einwanderung Fundstücke Feminismen
piqd für euch die Perlen unter den Radio Features. (Bis Ende 2017 für Deutschlandfunk Kultur, inzwischen unabhängig und senderübergreifend).
Lebt und arbeitet als freie Autorin, Regisseurin und Produzentin mit Schwerpunkt künstlerisches Feature in Berlin. Hat alles mögliche an Geisteswissenschaften studiert und ist Absolventin der EBU Master School on Radio Features. Sie veröffentlichte außerdem ein erfolgloses Hip Hop Album, arbeitete sich durch bislang sieben musikalische Stilübungen von Reggae bis Death Metal, und hat trotz aller Widrigkeiten zwei wunderbare Kinder in die Welt gesetzt.
Das Thema ist besonders schwer verdaulich, daher sei an dieser Stelle wirklich gewarnt. Hier vorab die Nummer eines Beratungstelefons für Betroffene organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt: 0800 - 30 50 750 (kostenfrei und anonym).
Das Feature "Kinderfolter - Sexuelle Gewalt in organisierten und rituellen Gruppen" von Beate Hinrichs ließ mich in einer Art Schockzustand zurück. Hier kommen Frauen zu Wort, die - was zunächst für manche wohl verwunderlich erscheint - von sich selbst als "viele" sprechen. Nur eine von ihnen hat es bisher geschafft, die "vielen", das "wir" wieder zu einem "ich" zusammenzuführen. Diese Störung nennt man in der medizinischen Fachsprache "dissoziative Identitätsstörung", kurz "Dis". Sie wird von der menschlichen Psyche in bestimmten Fällen aus überlebenstaktischen Gründen entwickelt. Die Gefolterten haben bereits im jüngsten Alter so furchtbare Dinge erlebt, dass ihre Psyche das Erlebte nur durch die Aufspaltung und Verteilung auf eine ganze Reihe verschiedenster Persönlichkeiten verarbeiten und damit das Überleben der Gefolterten sichern konnte.
"Grob geschätzt ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat eine Dis. Das wären über 800.000 Menschen. Wichtig ist: Nicht alle, die eine Dis haben, sind Opfer ritueller und organisierter Ausbeutung. Immer aber ist die Spaltung eine Folge massiver Gewalt in frühester Kindheit. Sie ist ein Überlebensmechanismus."
Es ist ausgesprochen mutig und wichtig, dass diesen Frauen hier im Feature der Raum gegeben wird, mit ihren Worten über ihre teilweise sehr konkreten und bisweilen extrem weit zurückreichenden Erinnerungen zu sprechen. Nicht immer ist den Überlebenden von Anfang an klar, was sie erlebt haben. Ihre Psyche war ja stets darauf getrimmt, die schlechten Erinnerungen abzuspalten. In den meisten Fällen offenbart sich die Dis erst im Rahmen einer Therapie. Eine Überlebende hier entwickelte um die 60 Persönlichkeitsanteile, die sich nicht alle gut verstanden:
"Die Teile, die Opfer waren, denen ging es unheimlich schlecht, und die waren auch so kraftlos und energielos, und die anderen, die waren unheimlich wütend. Die haben die Opferanteile zutiefst verachtet und waren der Meinung: Wie konntet ihr das über euch ergehen lassen!? So ungefähr, ja, weil sie sich die Illusion bewahrt hatten, dass man etwas dagegen hätte machen können. Dann haben die Wütenden einfach realisieren müssen, dass wir alle nur deswegen noch leben, weil es die Opfer gegeben hat. Wenn die auch nicht dagewesen wären, dann wäre gar keiner mehr im Köper gewesen, so ungefähr, dann wäre der Körper vielleicht gestorben. Irgendeiner musste ja da sein."
Kinder sind die verletzlichsten und am leichtesten manipulierbaren Menschen in unserer Gesellschaft. Leider sind sie es auch, auf die am wenigsten gehört wird, denen oft nicht geglaubt wird, wenn sie es doch einmal wagen, entsprechende Hilferufe auszusenden. Um so wichtiger ist es, dass früh hingeschaut wird und aufmerksam gemacht wird auf die perfide Vorgehensweise von Täterkreisen, die sich ihre Opfer durch gezielte psychische und körperliche Folter so formen, dass sie sich ihrem kranken "System" anpassen, dass sie ihre Peiniger decken, Wunden selbst verbergen oder gar nicht erst auf die Idee kommen, sich jemandem anzuvertrauen. Therapeutin B. Bosse bemerkt bitter:
"Ein fünfjähriges Mädel, das fröhlich auf einen Vergewaltiger zuläuft, das werden Sie freiwillig nicht zustande kriegen. Da muss man schon sehr gezielt trainieren, sprich zurechtfoltern."
Die Erwachsenen, die Täter, wissen hingegen sehr genau, was sie tun. Sie können mit größter Sorgfalt daran arbeiten, dass sie auch später unerkannt bleiben und die irgendwann erwachsen gewordenen Opfer ihnen nichts anhaben können. Denen wird - nicht nur vor Gericht - oft nicht geglaubt, allein aufgrund der Erinnerungslücken. Es fehlen meist auch konkrete Beweise, um Täter zu überführen. Dabei liegt es auf der Hand, dass es diese Verbrecherkreise gibt. Ein großes Problem ist auch, dass es diesbezüglich an Aufklärung in der polizeilichen Ausbildung mangelt. Hier allein liegt ein dringender Nachholbedarf, damit erkennbare Anzeichen richtig gedeutet werden und Menschen mit dissoziativer Identitätsstörung ernst genommen werden. Es ist ein furchtbares, beklemmendes Thema, aber umso wichtiger ist es, dass die allgemeine Aufmerksamkeit für solche Fälle geschärft wird.
Quelle: Beate Hinrichs Bild: Richard Brocken/H... www1.wdr.de
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Sehr geehrte Susanne Franzmeyer, ich empfehle Ihnen zum allgemeinen und umfassenden Wissenserwerb sowie einer kritischen Auseinandersetzung zu dem von Ihnen benannten Thema, lange zurückliegende Erinnerungen an "Kinderfolter in organisierten Gruppen" sowie die damit in Zusammenhang stehende dissoziativen Identitätsstörung, sich darüber hinaus dem Thema "Scheinerinnerungen und deren Entstehung" sowie "den Folgen von Scheinerinnerungen" zu beschäftigen. Dabei geht es nicht darum, die extremen Belastungen der Menschen, die unter der dissoziativen Identitätsstörung und den grausigen Erinnerungen leiden zu schmälern oder nicht ernst zu nehmen, da diese in jedem Fall langfristige professionelle Hilfe benötigen. Es geht vielmehr darum, einen kritischen Blick zu behalten, der durch psychologische-wissenschaftliche Arbeit seit den 80er Jahren zur Entstehung zur Erinnerung nunmal besteht und nicht außer acht gelassen werden sollte, zumal dieses Thema höchst emotional besetzt ist und ein Erwerb eines rationalen Blickes darauf auch die Qualität der journalistischen Arbeit erhöht.