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Klima und Wandel

Postwachstumsökonomie – eine völkische, menschenverachtende Vision?

Ralph Diermann
Energiejournalist

Strom, Wärme und Mobilität – das sind meine Themen. Ich arbeite seit 2008 als freier Energiejournalist u.a. für die Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, die Neue Zürcher Zeitung, für Riffreporter sowie für einige Fachzeitschriften.

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Ralph DiermannMontag, 06.02.2017

Vor einigen Wochen hat Daniela Becker hier einen Essay von Niko Paech zur Postwachstumsökonomie gepiqd. Der Volkswirt plädierte in der „Zeit“ dafür, den für das Klima fatalen Wachstumszwang durch eine Abkehr von der Globalisierung und durch eine Deindustrialisierung (so fasst es Daniela zusammen) zu überwinden. Der Text stieß auf reges Interesse bei Piqd.

Als Reaktion auf den Essay hat der Journalist Stefan Laurin auf dem Blogportal Salonkolumnisten eine fulminante Abrechnung mit Paech und dem ähnlich argumentierenden Autor Harald Welzer veröffentlicht – eine gut begründete Auseinandersetzung, die ich hier als Ergänzung zu Danielas Piq empfehlen möchte.

Laurin fährt schweres Geschütz auf: Er spricht von einer „Wirtschaftstheorie aus dem grün-braunen Sumpf“, unterstellt vor allem Paech eine Nähe zu völkischem Denken und nennt dessen Technologie- und Fortschrittsfeindlichkeit menschenverachtend. Das begründet er unter anderem so:

  • Kapitalismus und Industrialisierung hätten weltweit zu enormen Fortschritten bei Demokratisierung, Bildung und Gesundheit geführt. Die Postwachstumsökonomie setze diese Errungenschaften aufs Spiel.
  • Die Vision der Postwachstumsökonomie sei undemokratisch. Welzer gehe davon aus, dass der Wandel von einer kleinen Elite angestoßen wird – ob der Großteil der Gesellschaft das will oder nicht.
  • Paech und Welzer würden nur in nationalen Kategorien denken. Dabei verlange ökologisches Denken doch gerade eine globale Perspektive.
  • Paech stelle sich gegen den kulturübergreifenden Austausch von Ideen. Der Kulturvergleich, so zitiert er Paech, pulverisiere stabile Ordnungen. Mit dieser Position sei Paech nicht weit entfernt vom völkischen Konzept des Ethnopluralismus, das der Idee der allgemeinen Menschenrechte widerspreche.
Postwachstumsökonomie – eine völkische, menschenverachtende Vision?

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Kommentare 3
  1. Philip Hilgers
    Philip Hilgers · vor mehr als 7 Jahre

    Herr Laurin zählt in die Kategorie der Leute, die jedes Jahr zu Feuerwehreinsätzen führen, weil sich sich doch auf das Eis begeben, das sich dann als zu dünn erweist: Wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass technologischer Fortschritt aller Probleme löst?
    Herr Laurin sollte sich erstmal ein bisschen bilden, bevor er in gefährlich eindimensionaler Weise in die öffentliche Debatte eintritt. Dazu empfehle ich für's erste:
    - Rainer Klingholz, Sklaven des Wachstums, falls ihm die Herren Pech und Welzer ein wenig zu plakativ sind (finde ich übrigens auch)
    - Rede von Robert Kennedy, die er bereits1968 an der University of Kansas hielt über das BIP und was Wachstum eigentlich ist
    - Michael Sander über "Gerechtigkeit"
    Und wenn das Ausleben seiner "Freiheit" in der westlichen Konsum- und Wachstumgesellschaft Herr Laurin ETWAS Zeit lässt, kann er sich ja auch mal mit dem "Guten Leben" nach Aristoteles oder der Pflichten-Ethik von Kant beschäftigen. Möglicherweise erkennt auch er dann, dass das menschliches Leben mehr ist, als auf Sylt bei Gosch Krabben zu essen, die in Marokko gepult wurden, Siege am Grabbeltisch, Ebay-Schnäppchen oder das alljährlich aktuelle Smart-Phone.

    1. Ralph Diermann
      Ralph Diermann · vor mehr als 7 Jahre

      Danke für die Lese-Empfehlungen!
      Ich vermute mal, Stefan Laurin würde entgegnen, dass Wachstum und technischer Fortschritt nicht per se im Widerspruch zum "Guten Leben" nach Aristoteles stehen.

    2. Philip Hilgers
      Philip Hilgers · vor mehr als 7 Jahre

      @Ralph Diermann Genau. Angenommen, die Weltwirtschaft wächst um 3%. 1% ist für die Beseitigung von Umweltschäden, Deiche gegen Hochwasser, Versicherungsschäden aus Extremwetter etc. 1% ist für globale Transporte, die auf nicht internalisierte Umweltkosten zurückgehen. 1% für erneuerbare Energien, um "schmutzige Erzeuger" abzulösen: wem geht's jetzt besser? Das nächste 1 % wird generiert durch alle zwei Jahre neue Flachbildschirme Handys etc oder Mond Cheri oder Merci, ohne die man ja keinem mehr seine Gefühle zeigen kann, oder sonstwelche Konsumgegenstände, die emotionale Ersatzbefriedigung versprechen. Könnte sein, es wäre besser, weniger zu kaufen, weniger Zeit zu arbeiten und die Zeit damit zu verbringen "ein gutes Leben zu führen: sich als Staatsbürger informieren und einbringen, sich bilden, sich sozial engagieren. Und schon gehen wir Richtung Päch und Welzer. Ich weiß nicht, ob eine Post-Wachstums-Ökonomie funktionieren kann, aber ich finde es richtig darüber nachzudenken. Ich glaube an den Markt, aber ich glaube nicht an den Homo Ökonomicus als moralische Maxime: Wenn jeder nach seinem Interesse handelt, ist es für die Gesellschaft am besten. Laurin ist zu platt für seine Lautstärke.

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