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Anne Hahn, in Magdeburg geboren, lebt seit 1990 in Berlin. Studium der Kunstgeschichte/Geschichte in Berlin und Florenz. Seit 1999 Porträts, Reportagen und Rezensionen in verschiedenen Medien. Buchveröffentlichungen u.a.: "Satan, kannst du mir nochmal verzeihn - Otze Ehrlich, Schleimkeim und der ganze Rest" (mit Frank Willmann) Ventil Verlag 2008, "Pogo im Bratwurstland: Punk in Thüringen" LzfpB, 2009, „DreiTagebuch“ Roman, „Gegenüber von China“ Roman, beide Ventil Verlag, 2014, "Das Herz des Aals", Roman, Ventil Verlag 2017, "Mitten drin - Fußballfans in Deutschland" BfpB, 2018, "Vereint im Stolz - Fußball, Nation und Identität im postjugoslawischen Raum", BfpB 2021
Ja, so war es, flüstert sie, fährt dabei die Straßen mit dem Zeigefinger nach: von der Usedomer Straße in die Stralsunder in die Hussitenstraße. Noch bevor sie um die letzte Ecke gebogen war, hatte sie ein lautes Horn gehört. Seinem einfarbigen Tönen folgte ein überwältigender Knall. Sie bewegte sich langsamer, wie in Zeitlupe, vergaß das Motiv, nach dem sie Ausschau gehalten hatte, ein paar Schritte lang ging das gut, ihr Blick klebte an der Stelle, an der der Kirchturm eben, vor ihren Augen, gen Osten gefallen war...
Ich lasse das Buch sinken und schaue Richtung Hussitenstraße. Der Humboldthain liegt als Insel im Wedding, scheidet das quirlige Gesundbrunnencenter mit seinem Umsteigebahnhof von den Kopfsteinpflasterstraßen an der Liesenbrücke. Gleich hinter meinem Sommerbad beginnt die Hussitenstraße, rumpelt am AEG-Fabrik-Gelände und der Apparatefabrik vorbei über den ersten U-Bahntunnel Berlins hinweg durch das Sanierungsgebiet Brunnenviertel bis zur Bernauer Straße, zur Kapelle der Versöhnung.
Sie rutschte aus, fiel hin, die Kamera fest gegen den Bauch gedrückt, den Blick auf den gefallenen Turm gerichtet, an dessen Stelle nun eine gefräßige Staubwolke wuchs; zwei kahle Bäume waren das Letzte, was an dieser Stelle noch über die Mauer ragte.
Nach 16 des 240 Seiten umfassenden Romans "Restaurant Dalmatia" befinden wir uns plötzlich im Wedding. Im Brunnenviertel. Während ich mit nassen Haaren durch einen kühlen Sommertag von der Hussitenstraße zu meinem Buchlädchen auf der Ackerstraße laufe, schüttele ich noch einmal den Kopf. Freue mich über den Zufall, der mir Jagoda Marinićs Roman in die Hände gespült hat. In Kanada hatte er begonnen: die Mittdreißigerin Mia wird von ihrem Freund genötigt, sich zu erinnern. Sie solle nach Berlin fahren und die Orte und Personen ihrer Kindheit und Jugend besuchen, welche sie versucht hatte, zu verdrängen. Auszulöschen. Aussichtslos.
Das Restaurant liegt in der Brunnenstraße, und wenn über dem Eingang kein großes weißes Schild mit der Aufschrift Restaurant Dalmatia hinge, wäre es leicht mit einem Gewächshaus zu verwechseln. Im Erdgeschoss eines in die Jahre gekommenen Nachkriegsbaus vegetiert das kleine Restaurant vor sich hin, keine zwanzig Meter Luftlinie von dem Chromkasten, in dem die öffentliche Toilette untergebracht ist.
Mia landet in Berlin und verwandelt sich in Mija, Tochter von Maja und Marko Marković, Nichte der Restaurantbesitzerin Zora und erste Gymnasiastin der kroatischen Familie im Brunnenviertel. Zwischen Januar 1989 und Januar 2013 werden bunt gemischte Episoden in nach Personen benannten Kapiteln erzählt. Wir erfahren von Sara Lombardi, der gleichaltrigen besten Freundin Mijas und mit ihr Spezialistin für Spaghettieis mit Sahne. Von zwei kleinen Mädchen, die zwischen Zoras Restaurant Dalmatia und Giovanni Lombardis Eiscafé pendeln. Zwei "in diesen achthundert Metern Wedding flechtzopfartig verbundene Kinderleben." Die eines Tages getrennt werden, Sara ist verschwunden. Die Kapitel springen, wir laufen jetzt mit Mija die Torstraße entlang, steigen am Rosenthaler Platz in die U-Bahn, trinken Whisky mit Jesus und erinnern uns mit ihr an den Tag, an dem die Kirche gesprengt wurde. Lauschen im nasskalten Berliner Winter ihren Erzählungen vom kroatischen Sommer, zu dem die Familie jährlich aufbricht.
Jagoda Marinić, 1977 als Tochter kroatischer Gastarbeiter in Waiblingen geboren, lebt und arbeitet in Heidelberg, schreibt Kolumnen und podcastet. Sie ist wahrscheinlich nicht im Wedding gewesen, als sich 1985 die Versöhnungskirche in den Staub senkte, aber sie hat dieses Viertel getroffen. Mich hat sie erwischt mit ihrem Erinnerungspuzzel auf Heimatsuche, das sehr gut neben Saša Stanišićs Herkunft bestehen kann. Ihr 2016 im Atlantik-Verlag (Hoffmann und Campe) veröffentlichter Roman wurde im April 2019 in der Tucholsky-Buchhandlung nahe der Torstraße in Berlin Mitte verkauft, verrät der Rückenaufkleber. Gefunden hat mein Freund das behutsam gelesene Buch Mitte Juni dieses Jahres in der Bücherbox vor dem Edeka im Brunnenviertel. Es würde mich nicht wundern, wenn ich die Autorin in den nächsten Tagen dort treffe. Oder heute Abend auf dem Flakturm im Humboldthain? Ich möchte einem schweizerischen/serbischen Freund den Wedding von oben zeigen ...
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Hussitenstraße, da klingelts bei mir.
Hat nicht der grosse Bruder im DDR Kinderbuch "Karlchen Duckdich" darüber gerätselt, wer diese Hussiten wohl waren?