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Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Mariupol: Der Name evoziert Bilder einer unbekannten Stadt irgendwo im Osten. Es ist der Ort, an dem Natasha Wodins Mutter lebte, bevor sie als Zwangsarbeiterin nach Deutschland kam. 2013 beginnt die damals 68jährige Autorin diese Vorgeschichte zu erforschen und lässt ihr Lesepublikum an der Suche teilhaben. Wesentliches Instrument der Recherchen bildet das Internet, welches die Möglichkeiten weit entfernte Familienstränge einander näherzubringen, enorm gesteigert hat. Wodin kann sich außerdem auf die Hilfe eines Hobbyhistorikers und Computernerds vor Ort verlassen, der Spur nach Spur verfolgt und die Autorin laufend mit Material versorgt. Was dabei zum Vorschein kommt, ist mehr als spektakulär: Bis zu den Urgroßeltern zurück entfaltet sich der Stammbaum einer Familie aus Großkapitalisten, Adeligen und italienischen Einwanderern, sodass Wodin das Bild ihrer Mutter, wie der Stadt Mariupol immer wieder revidieren muss.
Jedes aufgefundene Detail wirft nämlich in der Folge neue Fragen auf; Vermutungen und Ungewissheiten häufen sich genauso wie zu verarbeitende Fakten. Die Autorin lässt diese Informationen an sich heran, prüft, wägt ab, fantasiert, lässt also die subjektiven Auswirkungen des Faktischen nicht hintan. Souverän bringt sie ihre Fähigkeit ins Spiel, aus wenigen Hinweisen vollständige Szenarien zu spinnen, dann auch diese zu verwerfen und neu anzusetzen, denn
„die Wirklichkeit erschien mir viel unwirklicher als meine Vorstellung von ihr.“
Ihre Gegenwart wird durch das Wissen um die Vergangenheit verändert und damit gleichzeitig ihr Selbstbild:
„Ich wusste nur, dass meine Mutter eine ganz und gar andere gewesen war, als ich immer angenommen hatte, und dass ich selbst nicht die war, für die ich mich gehalten hatte.“
Da die Familie alle Grauen des 20. Jahrhunderts, zwei blutige Diktaturen, Verfolgung, Vertreibung etc. durchlebt hatte, wechseln sich Schrecken und Freude über das Gefundene ständig ab.
Durch einen Glücksfall wird schließlich das Tagebuch der Schwester jener geheimnisvollen und depressiven Mutter gefunden, dessen Nacherzählung den zweiten Teil dieses Buches bildet. Über die Zeit von Wodins Mutter als Zwangsarbeiterin der Flick-Werke holt sich die Autorin Informationen aus historischen Archiven, zeichnet mögliche Wege nach und beschreibt ein bislang wenig bearbeitetes Kapitel der deutschen Geschichte: Das von Ukrainern, welche während des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland deportiert wurden. Um die hiesige Produktion aufrechtzuerhalten brauchte man Menschenmaterial, welches sich unter schlechtesten Bedingungen im wahren Sinn des Wortes zu Tode arbeiten sollte. Diese „Marginalie, ein Anhängsel des Holocaust“ hatte es bislang nicht ins literarische Bewusstsein Deutschlands geschafft, bemerkt Wodin.
Auch dass Repressionen gegen die Fremden, die sich ohnehin nicht freiwillig im Land befanden, nach dem Krieg weitergingen, falls sie die Torturen überlebt hatten, ist dem historischen Gedächtnis weitgehend entschwunden. Wodin berichtet im letzten Teil von ihrem eigenen Aufwachsen inmitten von Displaced Persons, wie man die übriggebliebenen Menschen damals nannte, sie außerhalb der Stadtzentren in barackenähnlichen Wohnblöcken ansiedelte und sich sonst nicht weiter um sie kümmerte. Im Gegenteil waren sie Diskriminierungen ausgesetzt; glücklicherweise entwickelte das Mädchen Natasha eine robuste Widerstandskraft gegen das allgemeine Mobbing, erlernte rasch Deutsch und wusste früh, dass seine Rettung darin bestehen würde, sich von der Familie zu entfernen. Die Mutter hatte einen kollektiven Selbstmord geplant, von dem sie schließlich doch abrückte und alleine ins Wasser ging. Als reife Frau und Schriftstellerin erst gelingt es Wodin, sich mit dem Buch „Sie kam aus Mariupol“ dieser schwierigen Herkunftsgeschichte zu nähern und trägt damit zur Vervollständigung unserer Wahrnehmung eines grausamen Jahrhunderts bei.
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