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Medien und Gesellschaft

Das Urheberrecht ist ein Minenfeld. Zur Abhilfe hat die EU jetzt noch mehr Minen gelegt

Felix Schwenzel
Internetadept

Ich schreibe seit 1995 gern ins Internet.

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Felix SchwenzelSonntag, 31.03.2019

Eigentlich wollte ich diesen Text von Markus Beckedahl piqen, weil er darin unaufgeregt und sachkundig zusammenfasst, was es mit der europäischen Urheberrechtsreform, die letzte Woche beschlossen wurde, auf sich hat. Wer die letzten Jahre unter einem Stein lebte und sich nun fragt, was es mit diesen Artikeln 11 und 13 auf sich hat, braucht nicht mehr als Beckedahls Text zu lesen. (Wer auch etwas über Artikel 12 erfahren möchte, kann dann noch hier bei Enno Park weiterlesen.)

Diese Kolumne von Sascha Lobo zur Urheberrechtsreform hätte ich auch gerne gepiqt, weil er die Zusammenfassung Beckedahls noch mal um ein paar Metaebenen weiterdreht und erklärt, warum sich Verlage und Politik mit diesem Gesetz wahrscheinlich gleich mehrfach in den Fuß geschossen haben.

Stattdessen piqe ich jetzt einen holprig geschriebenen Text einer Modebloggerin, der nichts mit der Urheberrechtsreform zu tun hat, aber exemplarisch zeigt, welche Probleme die Neuregelung vermutlich noch verschärfen wird.

In aller Kürze: Berit Müller hat 2013 & 2014 Fotos in Ihrem Blog veröffentlicht, die sie von Zalando als Pressematerial, „mit der ausdrücklichen Bitte zum Bewerben einer Designkooperation“, zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Der Fotograf ließ sie 2014 abmahnen, weil er Zalando lediglich eine 6-monatige Nutzungslizenz für die Bilder erteilt hatte. Dooferweise hatte Zalando vergessen, die Bloggerin auf die eingeschränkten Nutzungsrechte hinzuweisen, womit der Fotograf natürlich im Recht war, die Verwendung seiner Fotos abzumahnen und zu unterbinden.

Ärgerlich ist dreierlei: Zalando weigerte sich, der Bloggerin zu helfen, der Fotograf scheint bei seinen Abmahnungen einen Bogen um größere Verlage zu machen und sich auf leichte Beute zu konzentrieren und der Gesetzgeber macht keinerlei Anstalten, das Urheberrecht auch für Urheber ohne Rechtsabteilung navigierbar und praktisch anwendbar zu machen. Stattdessen wurde das Urheberrechtsminenfeld flächendeckend weiter vermint. 

(Weiter in den Kommentaren.)

Das Urheberrecht ist ein Minenfeld. Zur Abhilfe hat die EU jetzt noch mehr Minen gelegt

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Kommentare 15
  1. Leopold Ploner
    Leopold Ploner · vor mehr als 5 Jahre

    Nun ja, dumme Geschichte für die Bloggerin. Trotzdem verstehe ich den Zusammenhang mit der Urheberrechtsreform nicht.

    1. Felix Schwenzel
      Felix Schwenzel · vor mehr als 5 Jahre

      ja, dumme geschichte, die tatsächlich nicht exemplarisch ist — aber das ist bei urheberrechtsfragen eigentlich immer der fall: komplizierte einzelfälle, zu deren lösung (und vermeidung) man eigentlich herrscharen von anwälten benötigt. und genau das ist auch der zusammenhang den ich oben herzustellen versuche: dass „der Gesetzgeber […] keinerlei Anstalten [macht], das Urheberrecht auch für Urheber ohne Rechtsabteilung navigierbar und praktisch anwendbar zu machen.“ die aktuelle novelle räumt keine minen im urheberrecht, sondern verteilt weiter neue, über die vor allem und immer wieder leute stolpern werden, die keinen justiziar angestellt haben.

    2. Leopold Ploner
      Leopold Ploner · vor mehr als 5 Jahre

      @Felix Schwenzel Ist das so? Ich nehme an, Du hast keine eigene Rechtsabteilung. Bist Du deshalb in den letzten Jahren mit Klagen wegen Urheberrechtsverletzung überschüttet worden?

    3. Felix Schwenzel
      Felix Schwenzel · vor mehr als 5 Jahre

      @Leopold Ploner nee, aber ich mach auch keine livestreams, podcasts oder videos, halte mich zurück beim re-posten von memes oder gifs, bzw. halte mich ganz allgemein stark zurück mit dingen die problematisch sein könnten. ausserdem klappere ich schon lange nicht mehr so laut auf der krawallglocke, wie ich es früher mal tat (und dann auch gelegentlich abgemahnt wurde — allerdings wegen anderer sachen als urheberrecht). vor allem habe ich auf meinem blog ein paar technische massnahmen implementiert, von denen ich glaube, dass sie mögliche abmahnungen signifikant reduzieren. kurz: der chilling effect wirkt bei mir voll. trotzdem bin ich mir bei vielem was ich tue sicher, dass es gegen geltendes urheberrecht verstösst oder zumindest graubereiche berührt.

      freut mich aber endlich mal jemanden kennen zu lernen, der glaubt dass das urheberrecht im digitalen zeitalter gut funktioniert und der da auch voll durchsteigt.

      p.s.: hast du rivva.de in den letzten jahren beobachtet? erst verschwanden da die teaser-texte, dann die tweets, mittlerweile sind da nur noch die überschriften, links und ein paar statistiken zu sehen. die teaser verschwanden vor ein paar jahren wegen des deutschen leistungsschutzrechts, die tweets (glaube ich) wegen der DSGVO. das sind genau die ergebnisse von rechtunsicherheiten (auf die ich oben anspiele) und furcht vor abmahnungen, die sehr, sehr viele menschen (betreiber von aggregatoren, blogs oder anderen webseiten) im netz haben, die nicht, wie du, mit dem glauben gesegnet sind, dass das alles kristallklar und risikofrei ist.

    4. Felix Schwenzel
      Felix Schwenzel · vor mehr als 5 Jahre

      @Felix Schwenzel p.p.s: die beifahrerin ist künstlerin und war entsprechend jahrelang in der VG bild-kunst. dort ist sie vor ein paar jahren ausgestiegen (und hat damit auf einnahmen verzichtet), weil sie als vg bild-kunst-mitglied de-fakto keine (digitale) eigenwerbung mehr machen konnte. denn wenn sie jemanden dazu animiert hätte bilder ihrer arbeiten zu posten, zu retweeten oder mit ihrer erlaubnis ihre eigenen bilder ihrer arbeiten zu verbloggen, hätte diejenigen irgendwann rechnungen von der vg bild-kunst bekommen.

      dass es überhaupt problematisch sein kann bilder von künstlerischen arbeiten zu posten, weil der künstler mitglied bei der vg bild-kunst sein könnte, ist meiner erfahrung den wenigsten bekannt. ich halte es für gut möglich, dass die vg bild-kunst sich an orten wie instagram entgegen der rechtslage zurückhält, aber ich kenne mindestens einen blogger dem für kunstbilder hohe rechnungen präsentiert wurden.

    5. Leopold Ploner
      Leopold Ploner · vor mehr als 5 Jahre

      @Felix Schwenzel “freut mich aber endlich mal jemanden kennen zu lernen, der glaubt dass das urheberrecht im digitalen zeitalter gut funktioniert und der da auch voll durchsteigt.”
      Klar. Wenn Du irgendwelche Fragen zum europäischen, amerikanischen oder ivorischen Urheberrecht hast, wende dich vertrauensvoll an mich.
      Natürlich steige auch ich bei den Feinheiten der Rechtslage nicht durch. Ich bin auch nicht so in der digitalen Welt zuhause, dass ich mich intensiv damit beschäftigen würde. Ich höre nur in regelmäßigen Abständen, dass das nicht-kommerzielle Internet kurz vor dem Kollaps stehe, weil sich wegen der Rechtsunsicherheit bald niemand mehr etwas zu publizieren traue: Leistungsschutzrecht, DSGVO, Panoramafreiheit ...
      In der Praxis finden die befürchteten Abmahnwellen aber anscheinend nicht statt. Bin ich zu blauäugig?

    6. Felix Schwenzel
      Felix Schwenzel · vor mehr als 5 Jahre

      @Leopold Ploner du sagst, dich interessiert das thema nicht so doll, dass du dich damit näher beschäftigen würdest, implizierst aber, dass warnungen vor schlechten gesetzen masslos übertrieben sein müssen, weil du gar keine brände siehst.

      früher hätte ich solche hingeworfenen provokationshäppchen als ansporn zu weiteren diskussionen gesehen, momentan hält sich meine streitlust aber in grenzen. liegt wahrscheinlich am alter. sorry.

    7. Leopold Ploner
      Leopold Ploner · vor mehr als 5 Jahre

      @Felix Schwenzel Stimmt, so toll interessiert mich das Thema nicht, dass ich wirklich tief einsteigen würde. Es ist für mich halt eines von vielen Themen: Wohnungsknappheit und Migrationspolitik, Gendersternchen und Pay Gap, Brexit und Europa, Asyl und Integration, Fridays for Future und Insektensterben, der geplante Hotelneubau in unserem Dorf und die neue Benutzungsordnung unserer Seeanlage.
      Ich lebe also in dieser ständigen Überforderung, mir zu Dutzenden Themen eine wirklich fundierte Meinung zu bilden. Da fange ich halt an Prioritäten zu setzen (der Hotelneubau), und bei manchen Themen erst einmal abzuwarten, bis ich die Brände sehe.
      Und das Beispiel einer abgemahnten Modebloggerin sorgt nun nicht dafür, dass das Thema Urheberrecht auf meiner Prioritätenliste schlagartig nach oben schießt.
      Liegt wahrscheinlich auch am Alter. Sorry.

  2. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

    (2) bzw neue technisch-organisatorische Lösungen wie belegbare Rechteketten per Content-Blockchain.

  3. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

    Moin, der Fall ist doch völlig klar: Wenn Zalando wie beschrieben um Verwendung bat, haftet Zalando für den Schaden bei der Bloggerin.
    Einen Zusammenhang mit der Urheberrechtsnovelle sehe ich nicht, das sind allgemeine Grundsätze. Wenn, dann liegt das Problem darin, dass die zeitliche Begrenzung seit erfindung des Jedermann-Online-Publizismus eventuell neu zu regeln sein könnte.

    1. Felix Schwenzel
      Felix Schwenzel · vor mehr als 5 Jahre

      mir scheint auch klar, dass zalando das anders sieht als du. das kann man natürlich vor gericht klären, aber so eine zivilklage gegen ein millionen-, wenn nicht sogar milliarden-schweres unternehmen, kommt mir schon ziemlich risikobelastet vor.
      und der zusammenhang mit der urheberrechtsnovelle ist ja gerade die unterlassung der klärung der vielen fragen die sich mit diesem „neuen“ jeder-ist-ein-urheber-online-gedöns ergeben. stattdessen mehr fragen und fallstricke.

    2. Nutzer gelöscht
      Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

      @Felix Schwenzel Nun, wie risikobelastet ist eine Klage gegen ein milliardenschweres Unternehmen? Da kommt vielleicht erschwerend hinzu, dass so eine Bloggerin zu wenig Ahnung von professionellen Medien hat. Das Risiko klärt man nicht selbst, sondern ein Anwalt, der dafür ca 150 EUR nimmt - übrigens auch der, der die Reaktion auf die Forderung nach einer Unterlassungserklärung verantwortet.
      Vielleicht muss man als Blogger doch so eine Art Führerschein machen? Der Umgang mit Nutzungsrechten ist eben Kern des Publizierens.
      Im Artikel wird auch klar, dass sie in manchen Jahren fünfstellige Umsätze macht. Sie ist nebenberuflich Werbeprofi. Sie scheint auch ihren eigenen Anteil nicht zum Thema zu machen, spätestens erst die U-Erklärung nicht zu unterzeichnen, dann aber kurz vor dem gerichtstermin zurückzuziehen, ist Risikomaximierung. Vielleicht hatte sie einen schlechten Anwalt. Man weiss es nicht.
      Ich fühle mich durch den Text manipuliert. Reihenweise Anmerkungen, die nichts mit der Sache zu tun haben, etwa sei ihr Vater "ehrenamtlich" Geschäftsführer.

    3. Felix Schwenzel
      Felix Schwenzel · vor mehr als 5 Jahre

      (in Antwort auf gelöschten Kommentar) ja, der text ist holprig und lückenhaft. der artikel wegen dem sie abgemahnt wurde, wurde laut autorenangabe übrigens auch nicht von ihr selbst geschrieben, sondern von ihrer mitgründerin „anja“, von deren spuren die site sorgfältig gereinigt wurde (allerdings nicht auf archive.org). und die professionalität ihrer bloggertätigkeit ist offenbar vor allem eine, die ihr nur bei schönem wetter spass macht.

      im prinzip hast du recht, was die erwartung angeht, dass zum publizieren auch eine gewisse professionalität gehört. nur ist genau das eben auch bedauerlich, weil es dann (wieder) so aussieht, dass blogs und webseiten nur noch von profis geführt werden und hinz und kunz auf den künftig content-gefilterten grossen plattformen ihrem amateurhaften publizistischen tätigkeiten nachgehen. und eben nur noch da, nicht mehr in blogs oder auf selbstgehosteten seiten, weil das finanzielle risiko einfach zu gross ist.

      und noch bedauerlicher ist eben, dass der gesetzgeber keinen handlungsbedarf sieht, das private oder semi-professionelle publizieren rechtlich navigierbarer und risikoloser zu gestalten, sondern im gegenteil, wieder vor allem die verlage (und ganz grossen plattformen) stärkt. die verlage sind ja bereits durch ihre grösse, ihre reichweite, abhängigkeiten und finanzielle rücklagen offenbar bereits ganz gut vor abmahnungen oder klagen wegen urheberrechtverletzungen (oder persönlichkeitsrechtverletzungen) von einzelnen geschützt. und mit der urheberrechtsnovelle sind deren rechte gegenüber urhebern ja auch nochmal gestärkt worden.

    4. Nutzer gelöscht
      Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

      @Felix Schwenzel Ah, unsere Standpunkte sind anscheinend doch nicht ganz voneinander entfernt.
      Ich konnte noch durch ein paar Klicks herausfinden, dass Frau Müller mit Shopazine "das grösste Portal für ... Kaufvergnügen" betreibt, einen Shop dort hatte und als Influencerin für Auping von der Agentur https://www.vucx.de/au... gebucht wurde. Das war ihr vorletzter Post. Dieser, ebenso wie alle anderen Posts und Postings, ohne Werbekennzeichnung.
      Nicht dass ich ihr keinen Erfolg gönnen würde, aber als "Bloggerin" sehe ich sie nicht. Für mich ist das Interesse klar kommerziell, ihr Verhalten unsauber. Auch die GmbH als haftend ist vielleicht keine gute Idee, wenn man von Zalando Entgegenkommen erwartet.
      Grundlegend, was die Unübersichtlichkeit von Urheberrecht in Neuland angeht, sind wir uns einig. Es versteht auch sonst schon kein normaler Mensch, wann er ein Haus fotografieren darf und wann nicht, ebenso einen Menschen in einer Gruppe und wann nicht. Das funktioniert vielleicht unter 10.000 Profis in D, aber nicht für normale Menschen.

  4. Felix Schwenzel
    Felix Schwenzel · vor mehr als 5 Jahre

    Einen zufälligen Einzelfall in dieser Sache herausgepickt: Ich weiss nicht ob der Fotograf und seine Anwälte Elle Deutschland, die wie Berit Müller 2014 über die „Designkooperation“ von Zalando und Eleonora Carisi berichtete, wegen der Nutzung seiner Fotos abgemahnt hat. Den betreffenden Artikel hat Elle jedenfalls unzugänglich gemacht: https://www.elle.de/fa...

    Derzeit (31.03.2019) ist der Artikel noch im Google-Cache zu sehen: https://www.google.com...

    Interessanter ist aber, dass einige Fotos des Fotografen noch gut zugänglich auf den Servern von elle.de liegen:

    https://www.elle.de/si...
    https://www.elle.de/si...
    https://www.elle.de/si...
    https://www.elle.de/si...

    Im Fall von Berit Müller hat offenbar genau das, das Versäumnis die Bilder auch vom Server zu löschen, wo sie weiterhin über Suchmaschinen gefunden werden können, zu weiteren, teuren gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt. Bei elle.de hat das entweder keine Folgen oder die Anwälte des Fotografen und die Justiziare von Elle haben das übersehen. Falls Elle seit 2014, trotz Rechtsabteilung, eine Urheberrechtsverletzung begeht und damit abmahnungsfrei durchkommt, wäre das genauso traurig wie in dem Fall, in dem Elle den Artikel nach Hinweisen vom Fotografen gelöscht haben sollte und das trotz Rechtsabteilung nicht rechtskonform hinbekommen haben sollte.

    Offenbar ist das ganze übrigens noch komplizierter als man denken mag: was ist zum Beispiel mit den Kopien die archive.org von Berit Müllers Blog angefertigt hat? Dort liegen die gelöschte Artikel und Bilder nach wie vor in voller Pracht im Netz herum:

    https://web.archive.or...
    https://web.archive.or...

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