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Medien und Gesellschaft

Ein 18-Jähriger soll eine Frau vergewaltigt haben – spielt es eine Rolle, dass er Afghane ist?

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
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Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.

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Simon HurtzSonntag, 24.01.2016

Die Gretchenfrage für Journalisten heißt derzeit: Sollen wir die Herkunft von mutmaßlichen Straftätern nennen oder nicht? Auch die Standard-Redaktion ist sich nicht einig: Online erfuhren die Leser, dass es ein 18-jähriger afghanischer Asylbewerber ist, dem vorgeworfen wird, eine Frau vergewaltigt zu haben – in der gedruckten Zeitung tauchte die Herkunft des Täters nicht auf.

Über die Entscheidung wurde anscheinend kontrovers diskutiert. Die Redaktion dokumentiert die unterschiedlichen Standpunkte, indem sie den internen Mailwechsel wiedergibt. Die Meinungen gehen weit auseinander – zwischen

Ich finde, es ist völlig irrelevant, ob ein Vergewaltiger ein Flüchtling ist.

und

Es spielt in der öffentlichen Wahrnehmung sehr wohl eine Rolle, ob ein Täter Asylwerber ist oder nicht. Wenn wir diesen Umstand ignorieren, dann machen wir etwas falsch, dann verlieren wir gerade auch in dieser so wichtigen Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen an Glaubwürdigkeit.

ist alles dabei. Ich finde die Debatte interessant und lehrreich – vor allem aber finde ich es bemerkenswert, sie öffentlich zu machen. Für mich ist diese Transparenz die beste Antwort auf "Lügenpresse"-Rufer.

Ein 18-Jähriger soll eine Frau vergewaltigt haben – spielt es eine Rolle, dass er Afghane ist?

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Kommentare 7
  1. Dirk Liesemer
    Dirk Liesemer · vor fast 9 Jahre

    Ziemliches Durcheinander in der Standard-Debatte. Ich verstehe schon nicht, was denn nun die Linie des Blattes sein soll. Es wird auch erstaunlich wenig presserechtlich argumentiert, so als würde es ein solches gar nicht geben. Vor allem der letzte Beitrag der Debatte lässt mich ratlos zurück: Was denn nun - Pressekodex? Herausgeber-Auftrag? New-York-Times-Motto? Leserwünsche? Die Redaktion hätte mal besser auf Transparenz verzichtet. Erkären muss man dem Leser sehr wohl, wann man den Migrationshintergrund nennt. Stefan Niggemeier schlüsselt die Problematik, vor der wir Journalisten stehen, viel klarer auf: Die üblichen Verdächtigen auf http://uebermedien.de/....

    1. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor fast 9 Jahre

      Das sehe ich anders. Ich finde den Vergleich zu Stefans Text unfair. Sein Artikel erfüllt einen völlig anderen Zweck. Das ist ein durchgeschriebenes Stück mit einer stringenten Argumentation. Die Standard-Redaktion gibt lediglich den internen Mailwechsel wieder - bewusst in aller Widersprüchlichkeit.
      Für mich ist aber genau das richtig und wichtig: den Lesern zeigen, dass es nicht "die Medien" gibt, sondern dahinter Menschen mit verschiedenen Ansichten stehen. So baut man m.E. Vertrauen auf und nimmt Verschwörungstheoretikern den Wind aus den Segeln.

    2. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 9 Jahre

      @Simon Hurtz Genau das halte ich für das Problem dieses Mailwechsels: dass die Widersprüchlichkeit so stark in den Vordergrund tritt ohne am Ende aufgelöst zu werden. Es wird zudem viel zu stark an einzelnen Phänomen entlang diskutiert. Und zwar so als könne man daraus allgemeine Grundsätze ableiten. Mir ist jedenfalls nicht klar, wie nun die Linie des Blattes ist. Und es gibt sicher Leser, die aus dem Mailwechsel schließen, dass sich eigentlich gleichermaßen Gründe für oder gegen die Nennung eines Migrationshintergrundes finden lassen. Ein solches Ergebnis wäre katastrophal.

    3. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor fast 9 Jahre

      @Dirk Liesemer Ich halte es für legitim, Widersprüchlichkeit abzubilden. Es wäre Unsinn, so zu tun, als sei die Redaktion einer Meinung, wenn sie de facto gespalten ist. Und dass sich der interne Mailwechsel in Folge einer Blattkritik an "einzelnen Phänomenen" orientiert, finde ich völlig nachvollziehbar.
      Wie gesagt: Das ist ausdrücklich kein in sich abgeschlossenes Stück eines einzelnen Autors. Die Kommentare unter dem Text sind - angesichts des Themas - übrigens ausgesprochen sachlich (natürlich weiß ich nicht, wie stark moderiert wurde). Das spricht dafür, dass es eine gute Idee war, den Mailwechsel in dieser Form abzubilden.
      Interessant auch, was Armin Wolf dazu auf Facebook schreibt: https://www.facebook.c...

    4. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 9 Jahre

      @Simon Hurtz Danke für den Link zu Wolf, hätte ich sonst übersehen.

  2. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor fast 9 Jahre

    Absolut! Solche Transparenz lässt ganz schlicht die Kommunikation wieder anspringen und das ist glaube ich gerade der Schlüssel...

    1. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor fast 9 Jahre

      444 erstaunlich zivilisierte und differenzierte Kommentare (Stand 18:38 Uhr) geben dir recht. Die Fronten zwischen Medien und Lesern, Hörern und Zuschauern (bzw. einem Teil dieser Rezipienten) sind so hart, da tut jede Öffnung und jeder Dialog gut.

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