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Pop und Kultur

Glanz und Ambivalenz: die Hassliebe eines Musikers zur Elbphilharmonie

Jan Paersch
Autor für taz, NDR, DLF, Jazz Thing und andere
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Jan PaerschDienstag, 10.01.2017

Die Elbphilharmonie in Hamburg ist fertig, wurde schon beravet und betanzt, morgen Abend wird sie offiziell eröffnet. Das Presseinteresse ist seit Monaten gewaltig, Architekturkritiker überschlagen sich vor Lob und suchen „hilflos nach Vergleichsmaßstäben", nicht nur norddeutsche Medien widmen dem Konzerthaus ganze Sendungen. Auch das Publikum ist hingerissen: sobald neue Kartenkontingente in den Verkauf gegeben werden, brechen die Server der Website regelmäßig unter der Last der Anfragen zusammen.

Doch was sagen eigentlich die Musiker der Stadt zu dem Wunderbau? Tobias Rempe vom Ensemble Resonanz, das den kleinen Saal (immerhin 500 Plätze) bespielen wird, zeigt sich angetan von den flexiblen Nutzungsmöglichkeiten des Raumes, Chefdirigent Thomas Hengelbrock spricht von einem „Traum" (nochmal das Kulturjournal).

Nicht-Involvierte sind da schon kritischer. Der Arrangeur und Komponist Klaus-J. Rathjens kann die enormen Kosten nicht vergessen. Rathjens erwähnt im Dradio das Beispiel Schleswig. In der schleswig-holsteinischen Stadt fehlten „nur" vier Millionen Euro für ein neues Theater, Peanuts im Vergleich mit den 865 Millionen der „Elphi": „Unser föderales System stellt prachtvolle Kulturbauten in den urbanen Zentren neben die Not der Provinz." Und er bezeichnet die Beteuerungen der Politiker, andere Kulturausgaben der Stadt würden nicht beeinträchtigt, weil die Elbphilharmonie einen eigenen Etat besäße, als Augenwischerei. Denn: „welche Summe hätte man bei angemessener Planung sparen können?"

Erst wenn der Senat dafür sorgt, dass Musikschulen, Chöre, Band-Probenräume und andere Kultureinrichtungen gut versorgt sind, erst dann wäre das eigentliche Fundament der Elbphilharmonie gelegt. Erst dann erhielte sie ihre Daseinsberechtigung.

Ein gewichtiger Einwand. Dennoch freue ich mich auf das neue Konzerthaus, insbesondere auf den Auftritt der Einstürzenden Neubauten, die zuvor schon historisch deutlich belastetere Bauwerke musikalisch erkundet haben.
Glanz und Ambivalenz: die Hassliebe eines Musikers zur Elbphilharmonie

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Kommentare 5
  1. Oskar Piegsa
    Oskar Piegsa · vor fast 8 Jahre

    Hm. Eine Kritik am föderalen System, nicht an der Elbphilharmonie (kein Euro aus Hamburg wäre Schleswig-Holstein zu Gute gekommen, wenn das Haus nicht gebaut worden wäre), der vielleicht der Maßstab fehlt.

    Denn wo ist die kulturelle Breitenversorgung in der Fläche besser als in Deutschland mit Opernhäusern in jeder kleineren Großstadt und Theatern überall? Das bedeutet nicht, dass gerade nicht vielerorts an den falschen Stellen gespart wird. Aber diese Kritik an Hamburg zu richten und nicht an die verantwortlichen Länder und Kommunen, erscheint mir seltsam.

    Und wäre der logische Schluss aus diesem Befund nicht, zu loben, dass hier investiert wurde (und viel investiert wurde). Auch wenn der Großteil des Geldes an Hochtief ging und nicht an Chöre und Orchester: So ein Haus erhöht den Druck auf die Stadt, ihre Musiklandschaft nicht verkümmern zu lassen, das wäre blamabel.

    So paradox das klingen mag: Kann sein, dass die Tatsache, dass die Elbphilharmonie da steht und sooo teuer war, der Musikförderung in der Breite sogar gut tut. Es wäre verkürzt zu denken, dass das Geld, das dort investiert wurde, sonst 1:1 (oder auch zu großen Teilen) in der Kulturförderung gelandet wäre.

    1. Oskar Piegsa
      Oskar Piegsa · vor fast 8 Jahre

      Letzte Anmerkung: Mein Kollege Oliver Hollenstein hat sich für die "Zeit Hamburg" die Finanzen der Stadt angesehen. Er schreibt: Für das Geld, dass allein in den ersten neun Monaten in die HSH Nordbank ging, hätte man noch drei Elbphilharmonien bauen können.

    2. Jan Paersch
      Jan Paersch · vor fast 8 Jahre

      Ganz klar, Hamburger Kulturförderung und föderales System sind zwei völlig verschiedene Angelegenheiten. Aber auch das darf man in einem Atemzug kritisieren, Rathjens ist ja kein Politiker.
      Nein, die Breitenversorgung in Deutschland ist nicht optimal, ich habe das am erwähnten Beispiel Schleswig-Holstein erlebt, wo Schauspieler und Publikum quer durchs Land gekarrt werden, um überhaupt nocht Aufführungen zu ermöglichen (und in Schleswig denkt man ernsthaft darüber nach, dem Theater ein Zelt zu bauen, weil kein Geld für ein neues Haus da ist).
      Natürlich ist es schön, dass überhaupt investiert wurde. Aber man wird doch als Kulturschaffender noch einmal träumen dürfen, was man alles mit dem Geld hätte machen können. Selbst Bürgermeister Scholz hat ja eingeräumt, dass man bei besserer Planung 200 Millionen Euro hätte sparen können.
      Nein, natürlich wäre das investierte Geld nicht in der Kulturförderung gelandet, das behauptet Rathjens auch nicht. Aber jetzt hat man in Hamburg seinen Leuchtturm. Ob ein paar Pop-Musiker in Zukunft halbwegs erträgliche Proberäume haben werden, wird Politik und Medien eher nicht interessieren.

    3. Oskar Piegsa
      Oskar Piegsa · vor fast 8 Jahre

      @Jan Paersch Ich widerspreche Dir gar nicht, würde aber vorschlagen, beides zu trennen: Träumen und Kritisieren.

      Und auch beim Kritisieren zu trennen: Ein konkretes (durchaus kritikwürdiges: bei den Kosten, bei der Planung, etc.) Projekt einerseits und eine allgemeine missliche Lage andererseits.

      Außerdem, wie gesagt: Auch der "Leuchtturm" kann in die Breite abstrahlen, oder Kritikern mieser Breitenversorgung ein argumentativer Hebel sein. Dieses "Erst hätten wir mal gute Chöre haben sollen, ehe wir ein Konzerthaus bauen" ist als moralisierender Konjunktiv ein bisschen mimimi und – glaube ich – taktisch nicht besonders clever.

    4. Jan Paersch
      Jan Paersch · vor fast 8 Jahre

      @Oskar Piegsa Ich bleibe skeptisch. Wie übrigens auch Juliane Reil, die sich darüber wundert, dass die Hamburger Subkultur so unkritisch ist.
      http://ondemand-mp3.dr...
      Und auch noch einmal interessante Zahlen nennt: die Hamburger Clubs werden jährlich mit 200.000 Euro gefördert. Die Elbphilharmonie mit 7,2 Millionen. Klar, das kann man nicht vergleichen, dennoch eine erstaunliche Diskrepanz.

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