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Kurator'in für: Pop und Kultur Fundstücke
Schlüsselmoment? Auf undurchsichtigen Wegen, die nichts mit Geld, sondern mit krimineller Energie zu tun haben, ergattert 1979 ein kleiner Junge seine erste Platte. "Parallel Lines" von Blondie - als Picture Disc, was wichtig ist, weil der kleine Junge damals eher visuell als musikalisch an Musik interessiert ist. Das ändert sich mit den ersten Tönen dieser Platte. Um die Geschichte kurz zu machen: Der Junge wird größer, versucht sich in verschiedenen Subkulturen und landet schließlich beim Radio, bei Gedrucktem, beim Netz, um über Musik zu reden und zu schreiben. Nur ein paar Namen: ByteFM ("Electro Royale", "Time Tunnel"), Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur, Tagesspiegel. Ein Blog namens technoarm.de und natürlich ein wöchentlicher Podcast: "Pop nach 8".
Seine große Liebe ist der Club, aber eigentlich findet er Chet Baker genauso spannend wie Blake Baxter. Mal sehen, wie das endet.
Mal ehrlich: Was soll eine Band denn machen, die einst als Kinder bzw. Teenie-Gruppe angefangen hat, die so erfolgreich war, wie sonst kaum jemand, deren Mitglieder aber noch das ganze Leben vor sich haben? Tokio Hotel, die 2001 im Magdeburger Raum zusammengefunden haben, haben genau das Richtige gemacht: Alben veröffentlicht und auf Tour gegangen, als der Hype riesig war, sich zurückgezogen, als der Spaß langsam nachließ. Ein normales Leben war für die Gebrüder Kaulitz, die Stars von Tokio Hotel, in Deutschland nicht mehr möglich, deshalb zog es sie nach Los Angeles.
Und was macht man da so als mittlerweile Endzwanziger? Musik, losgelöst von vielen Zwängen. Jetzt gibt es einen neuen Song von Tokio Hotel, der sich meiner Ansicht nach gar nicht so schlecht anhört: Produzenten-Pop mit 80er-Feeling und The-Weeknd-Anleihen. Marcus Weingärtner von der Berliner Zeitung hat über den Song und über die Band geschrieben und irgendwie habe ich mich über seinen Text geärgert. Denn wenn er wirklich denkt, was er da schreibt, dann hätte er konsequenterweise auf diese Schmähkritik verzichten sollen. Er hält Tokio Hotel und den Song Melancholic Paradise offenbar für überflüssig. Seine Kritikpunkte (Jugendsprache, die nicht mehr passt; klischeebeladene Vorstellungen von Los Angeles; zwei Bandmitglieder, an deren Namen sich niemand erinnert, ha, ha!) klingen für mich ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Es drängt sich der Eindruck auf: Hier hat ein Journalist die "Reichweite" seines Themas im Hinterkopf, dürfte es doch viele Menschen (sprich: Fans von früher) geben, die auf so eine Art "Was macht eigentlich ...?" stehen.
Ich habe mich aber nicht nur über diesen Text geärgert, ich habe mich auch gefreut. Über ein Lebenszeichen von Tokio Hotel (ohne, dass ich die jemals irgendwie gut gefunden hätte). Denn egal, wie man zu dieser Band steht, interessant ist es ja schon, wie sie irgendwie weitermacht und weitermacht und weitermacht und wo sie (soundmäßig) inzwischen angelangt ist.
Quelle: Marcus Weingärtner berliner-zeitung.de
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