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Pop und Kultur

Wie TikTok die Musikwelt verändert hat

Dorothea Tachler
Musikerin

Spielt und singt in Bands und macht Musik für Filme.
Ihre eigenen Bands heissen My Favourite Things und Hunki Dori.
Sammelt und verteilt Lieder und Artikel in München, Berlin und New York.

Zum Kurator'innen-Profil
Dorothea TachlerMontag, 23.05.2022

TikTok, das sind kurze Videos, oft mit Musik hinterlegt, und in vieler Leute Verständnis eher was für Teenager. Jeder kann hier posten, und es entwickeln sich Trends, die man als "Erwachsener" vielleicht gar nicht mitbekommt. Allerdings hat nun auch die Musikindustrie mitbekommen, wie sich hier selbständig eine große Veränderung einstellte und beeilt sich, hier den Anschluss zu finden.

TikTok has flipped the script on the music industry, and everyone from artists to analysts and even marketing bosses at the top labels are hustling to catch up.

Ein Beispiel: Tyler Colon bemerkte, dass viele Musiker ohne Following plötzlich im Radio gespielt wurden, die einen Kanal auf TikTok hatten. Woraufhin er auch sein Glück versuchte und den Song "Stuck In The Middle" unter dem Namen Tai Verde dort veröffentlichte. Dieser Song wurde mittlerweile über 100 Millionen mal auf Spotify gestreamt. Der 26-jähriger Singer/Songwriter, der ursprünglich von einer Basketball-Karriere träumte, arbeitete zu dem Zeitpunkt in einer Filiale eines amerikanischen Mobilfunk-Anbieters, bekam aber dann recht schnell Anrufe von Plattenfirmen und einen Plattenvertrag und ist nun auf Tour. Der große Unterschied auf TikTok ist, dass Zuhörer hier aktiver am Geschehen teilnehmen und nicht mehr nur passiv konsumieren, sondern Playlisten erstellen, Merchandise kaufen, auf andere Kanäle von Musikern gehen. Aber nicht nur das: Sie nehmen einen Song und machen ihr eigenes TikTok-Video daraus, indem sie neue Lieblingsrefrains unter ihr Video legen, so tun, als ob sie den Song singen, ihn tatsächlich selber singen oder etwa eine Tanzchoreografie erfinden. Was wiederum neue Trends kreieren kann. Zum Beispiel erfand ein Teenager eine Tanz-Choreographie für den Song "Say So" von Doja Cat, der viral ging. Doja Cat bemerkte dies, benutzte diese Choreo in ihrem Musikvideo und auf der Bühne beim Grammy-Verleih. 

So veränderte sich Musikhören von einer einseitigen Beziehung in etwas, woran man teilhaben kann, und TikTok hat dies herbeigeführt. UGC, User Generated Content, so nennt sich diese Zauberformel. Inhalt, vom Konsumenten erstellt. 

Ein weiteres Beispiel ist der Song "ABCDEFU" von einer Sängerin namens Gayle. Dieser Song stand bereits einige Monate auf TikTok, mit mäßigem Erfolg. Doch dann nahm sich die Zeichensprachen-Community dieses Songs an und mitten in ihrer Tour bemerkte die Sängerin, dass dieser Song deshalb zum viralen Hit wurde und für 11 Wochen Nummer 1 der Billboard Global 200 Charts.

Auch mit Tanz passiert hier viel, eine Dance Challenge brachte den Song von 1989 "It's All Coming Back To Me Now" von Celine Dion  zu neuen Streaming-Rekorden, wegen einer Lip-Syncing-Challenge.
Zusammenfassend kann man sehen, dass TikTok-Hörer endlich selber wählen, was sie hören und die Musikindustrie sich darauf einstellen muss. Als unangenehme Nebenwirkung gibt es aber auch hier schon Burn-out für Künstler, die das Gefühl haben, ständig Inhalte produzieren zu müssen. Die Angst, dass man sonst zu schnell untergeht, wieder in Vergessenheit gerät, kommt nicht von ungefähr.
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