sharing is caring
ist wirklich so!
Vielen Dank fürs Teilen!
Kluge Köpfe filtern für dich relevante Beiträge aus dem Netz.
Entdecke handverlesene Artikel, Videos und Audios zu deinen Themen.
Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft Medien und Gesellschaft Klima und Wandel
Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.
Vor wenigen Tagen stellte OpenAI sein neuestes Large Language Model vor: GPT4 kann mehr und das besser, schneller, breiter und größer als seine Vorgänger. Zeitgleich stellte Anthropic sein Konkurrenz-Produkt Claude vor – ein etwas unglücklich gewähltes Release-Date, das im Taumel des GPT-Hypes nahezu komplett unterging. Unterdessen starten dank offener APIs der AI-Modelle erste komplett automatisierte Nachrichten-Portale, während Google seine künstlichen Intelligenzen in Dev-Tools und GoogleDocs einbaut und Microsoft die seinen als Copilot für Office integriert. Die AI-Revolution ist in vollem Gange und schon heute kann niemand mehr mit Sicherheit genaue Aussagen über die Authentizität der Herkunft eines Textes treffen.
Deshalb möchte ich, abseits des Hypes, auf diesen klugen Text von Literaturwissenschaftler Hannes Bajohr hinweisen, in dem er sich ausführlich mit unserem Verhältnis von Text und Autor während und vor allem nach dieser Revolution der synthetischen Text-Erzeugung auseinandersetzt: Wie verändert die potenziell ungeklärte und künstliche Quelle von Text und Literatur unsere Wahrnehmung derselben? Gibt es eine poetische Qualität synthetischer Literatur jenseits ihres Verhältnis zur maschinellen Produktion?
Ausgehend vom Essay "Über natürliche und künstliche Poesie" des Philosophen Max Bense untersucht Bajohr diese Fragen bezüglich der Erwartungshaltung des Lesers an unbekannte Texte, die bislang immer davon ausging, dass Text in jeglicher Form natürlichen, menschlichen Ursprungs sei, nicht zuletzt weil grammatikalische Sprach-Systeme an sich ein zutiefst menschliches Phänomen darstellen. Laut Bajohr bricht die AI-Revolution diese Erwartungshaltung und Roland Barthes' berühmter Tod des Autors verwandelt sich dank schreibender Roboter in eine völlige Irrelevanz des Ursprungs.
Bajohr bescheinigt den KI-Modellen eine systemimmanente Täuschungsabsicht, in den vergangenen Monaten belegt durch Hunderte Online-Texte, die AI mit Bullshit Artists vergleichen, was wir angesichts der oft erstaunlichen Ergebnisse gerne vergessen in einer neuen Form der Suspension of Disbelief. Genau wie im Kino, wo wir unsere Zweifel an Superhelden und dämonischen Kräften für zwei Stunden beiseite schieben, geben wir uns während der "Kommunikation" mit der Maschine der Illusion hin, einen echten Menschen hinter dem Screen erkennen zu können: Die Vermenschlichung der Maschine durch eine anachronistische Erwartungshaltung an Text.
Ein weiterer interessanter Aspekt dieses sich neu formenden Verhältnisses zwischen Leser und Text-Ursprung ist die bereits gelernte und internalisierte Irrelevanz des Autors in unserer Kommunikation mit einer organischen Form der Maschine: Wenn wir als Leser mit PR-Texten und Werbung von Unternehmen zu tun haben, oder auch mit Formularen und Broschüren, ist der Autor des Texts vollkommen unerheblich. Auch im Nachrichten-Journalismus habe ich nur sehr selten als Leser den Drang, dem Autor einer herkömmlichen Meldung seiner elaborierten Formulierung zu danken. Wann haben Sie zum letzten mal über die Autoren des Wetterberichts nachgedacht?
Auch in der Literatur finden wir ein eher egalitäres Verhältnis bei Trivial-Literatur: In nahezu allen Serien des Pulp ist der Autor völlig zweitrangig und viele Autoren schreiben oft unter demselben Pseudonym. Ähnliches lässt sich auch für die serielle Maschinerie des Hollywood-Blockbusters erkennen, in der Marvel etwa zwar bekannte Namen einkauft, deren Handschrift im veröffentlichten Kulturgut nicht mehr wirklich wiederzuerkennen ist. Der Autor in einer post-artifiziellen Welt wird zum reinen Label einer Produktvariation, deren wahrer Ursprung die Marketing-Abteilung ist.
All die Werbebroschüren von Unternehmen und Organisationen, aber oft auch die Kulturprodukte der Trivial-Literatur und Popkultur sind im Ursprung vergleichbar mit den Synthesen von AI-Systemen: Auch Organisationen sind Netzwerke mit Knotenpunkten, die auf eine Funktion innerhalb einer kapitalistischen und/oder bürokratischen Maschine reduziert sind, und viele Menschen sind sich nicht gewahr, dass, zum Beispiel, hinter ihrem Lieblingssong von K-Pop Sensation BTS, ein ganzes Konglomerat an "Songschreibern" und "Autoren" steckt.
Die neue Qualität von GPT4 mag ein neues Zeitalter der Künstlichkeit einläuten, wir als Konsumenten von Kulturgütern aber leben bereits seit langer Zeit in einem post-artifiziellen Verhältnis zum Text-Ursprung, in dem der Autor allzu oft völlig irrelevant ist. Mit ein wenig Glück wird die AI-Revolution genau dieses Verhältnis bewusst machen.
Eine deutsche Version des Textes "Artifizielle und postartifizielle Texte" von Hannes Bajohr steht hier als PDF zur Verfügung.
Quelle: Hannes Bajohr Bild: Kristen Mueller, ... EN hannesbajohr.de
Einfach die Hörempfehlungen unserer Kurator'innen als Feed in deinem Podcatcher abonnieren. Fertig ist das Ohrenglück!
Öffne deinen Podcast Feed in AntennaPod:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Apple Podcasts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Downcast:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Instacast:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Apple Podcasts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Podgrasp:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Bitte kopiere die URL und füge sie in deine
Podcast- oder RSS-APP ein.
Wenn du fertig bist,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in gpodder.net:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.
Öffne deinen Podcast Feed in Pocket Casts:
Wenn alles geklappt hat,
kannst du das Fenster schließen.