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geb. 1967 in Rostock, freiberuflicher Journalist mit Schwerpunkt Mittel- und Südosteuropa.
Vor 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Anlässlich dieses Jahrestages waren in diesen Tagen viele erschütternde Dokumentationen und Zeitzeugenberichte zu lesen, zu hören und zu sehen. Angesichts der ungezählten und ungeheuerlichen Verbrechen, die während dieser bisher wohl größten Menschheitskatastrophe begangen wurden, fragt man sich manchmal, wie die Erde sich einfach weiterdrehen konnte. In erster Linie, meine ich, sollte man niemals vergessen, dass es Hitler und die deutschen Faschisten waren, die diesen Krieg anzettelten und dass Millionen von Deutschen willig und jubelnd mitmachten, zu Barbaren wurden oder zumindest zuschauten. Man sollte auch niemals vergessen, dass der deutsche Krieg gegen die Sowjetunion eine der ungeheurlichsten Vernichtungsaktionen der Geschichte gegen ein anderes Land und seine Menschen war. (Ich habe an dieser Stelle schon mehrfach geschrieben, dass das politische Deutschland dieses Verbrechens und der 27 Millionen Sowjetbürger, die dadurch starben, mit würdigeren Gesten der Demut gedenken sollte. Stattdessen nehmen in diesen Tagen eine Reihe namhafter deutscher Politiker, vor allem auf Seiten der Sozialdemokraten, den 75. Jahrestag des Kriegsendes zum Anlass, bessere Beziehungen zu Russland, sprich zu Wladimir Putin, und ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland zu fordern, die wegen der Annexion der Krim verhängt wurden. Das hat etwas Unwürdig-Merkantilistisches und auch Zynisches an sich.) Während man als Deutscher niemals vergessen sollte, welche Verbrechen Deutschland einst in der Sowjetunion verübte, kann man als jemand, der sich für Politik, Gesellschaft und Alltagsleben im heutigen Russland interessiert, schon seit längerem beobachten, wie das russische Gedenken an den Großen Vaterländischen Krieg unter Wladimir Putin immer mehr zu einer traurigen und auch erschreckenden Farce verkommt. Es ist ein Gedenken, das mit schauerlichen Verkitschungen, grotesken Geschichtsfälschungen, einer zunehmenden gesellschaftlichen Militarisierung und einer immer aggressiveren Außenpolitik einhergeht, wobei der 9. Mai zwar kein offizieller, dafür aber ein quasireligiöser oberster Nationalfeiertag ist. Der langjährige Moskauer SPIEGEL-Korrespondent und Russland-Kenner Christian Neef hat in einem nüchternen Text sehr treffend analysiert, worum es der russischen Staatsführung beim Kriegsgedenken geht. Er schreibt:
Das Feiern dieses Tages ist in Wirklichkeit kein Rückblick, sondern ein Blick nach vorn, es geht um die Nutzung der Geschichte für die politischen Interessen der gegenwärtigen Führung.
Ein sehr lesenswerter Text, verfügbar für Abonnenten von SPIEGEL+ (mein Link) oder alternativ für piqd-Mitglieder hier auf Blendle.
Quelle: Christian Neef Bild: Maxim Shemetov/ R... Artikel kostenpflichtig spiegel.de
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Mit dem Grundgedanken bin ich einverstanden.
Mehrmals schrieb ich selbst darüber. Ein freigeschaltetes Beispiel:
https://www.blaetter.d...
Darin heißt es u. a.:
So kann man Gessens Titel „Die Zukunft ist Geschichte“ doppelt deuten: Da der Aufbruch der 1980er Jahre in einer Sackgasse endete, wird einerseits eine Vergangenheit beschworen, die es so nicht gab, um angesichts einer verlorenen guten Zukunft zu schweigen. Dabei wird der Große Vaterländische Krieg, wie in Russland der Zweite Weltkrieg heißt, idealisiert. Er wird zum Mythos, der mit zeitlichem Abstand sogar wächst: „Was Gudkow sich noch nicht vorstellen konnte, waren junge Leute wie Ljoscha, die im ersten Jahr der Perestroika geboren wurden und sich ganz und gar mit einem Krieg identifizierten, der vierzig Jahre vor ihrer Geburt zu Ende gegangen war“, heißt es im Buch.
ABER: Dennoch sehe ich nur eine neue Variante einer alten Neuen Ostpolitik für eine Entschärfung der Lage.
Das Weiter-So entwickelt sich zur Verschärfung, zum neuem Westrüsten (diesmal in einer multipolaren Welt, was die Gefahr steigert) und eine Verbesserung für die Ukraine ist mindestens nicht abzusehen.
Die alte Neue Ostpolitik anerkannte die Annexion des Baltikums nach 1945 auch nicht an und funktionierte dennoch. Das neue Baltikum heißt Krim.
Ich kann eine neue Variante hier nicht skizzieren, aber warum man die Sanktionen nicht aufheben zum Preis eines Friedens in der Ostukraine?
Das ist nicht leicht, aber leicht war es für Brandt und Bahr auch nicht als sie mit Breschnew verhandelten. Und sicher war ihr Erfolg auch nicht.