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Volk und Wirtschaft

Die Irrationalität der Blasen-Ökonomie

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlDonnerstag, 14.07.2022

Spekulative Blasen begleiten das menschliche Wirtschaften wahrscheinlich seit Anbeginn des Warentausches, zumindest gab es sie schon in der Antike. Also nicht erst seit der niederländischen Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts oder der Südseeblase des 18. Jahrhunderts, die der Artikel anführt. Aber die Autoren haben recht:

Marktbooms und -blasen mögen irrational sein, aber wir können verstehen, warum sie passieren – und was zu tun ist, um den Schaden zu mildern.

Folgen sie doch immer ähnlichen psychologischen Verhaltensmustern. Denen sich Menschen trotz möglichen besseren Wissens selten entziehen können: zuerst Begeisterung, dann Hysterie, Gier gefolgt von Angst und Panik. Starke Emotionen, die den Verstand ausschalten und Marktteilnehmer zu irrationalen Investitionsentscheidungen bzw. auch Bürger und ihre Politiker zu überoptimistischen/idealistischen Regelungen verführen. 

Oft  – so die Autoren – bilden gerade im Kapitalismus neue Technologien solche Anlässe für eine Blasenbildung. Die Möglichkeit, über Märkte schnell Kapital in Innovationen zu lenken, hat in der Blasenbildung ihre Kehrseite. Nicht nur in der Science-Fiction Literatur sorgen mögliche Zukunftstechnologien für großartige Geschichten. Wirtschaftliche

Blasen bilden sich, wenn eine neue Geschichte nicht nur erzählt wird, sondern auch verkauft werden kann. Allerdings führt nicht jede neue Geschichte zu einer Blase. Manchmal können Geschichten erzählt, aber nicht verkauft werden. ….Der Raum zwischen Fiktion und Realität ist der Ort, an dem wirtschaftliche Blasen Gestalt annehmen. … Wie der verstorbene Wirtschaftshistoriker Nathan Rosenberg zu einem von uns sagte: "Das Einzige, was an der Zukunft sicher ist, ist, dass sie unsicher ist."

Insofern wird im Artikel auch Tesla als Beispiel für eine Blase behandelt. Aus solchen Beispielen extrahieren die Autoren zwei wichtige notwendige Bedingungen für die Entstehung einer Blase: 

1.  Blasen basieren auf Erzählungen. Jedes Start-up beginnt als Geschichte über eine imaginäre Zukunft. Jedes Unternehmen, jede Investition ist eine Aussage über die Zukunft, ein Versuch, eine Zukunft zu schaffen, die der Imagination des Akteurs entspricht. Das Narrativ darf allerdings auch nicht allzu fantastisch sein: "Niemand investiert heute in das Versprechen von Teleportationsmaschinen" – jedenfalls noch nicht.

2. muss der Gegenstand der Spekulation auch für Investoren und massenhaft "spielerische" Investitionen offen sein. Die reine Existenz einer Investitionsmöglichkeit, einer guten Geschichte, in der ein Unternehmen der Held ist, führt noch nicht zu einer Blase.

Während dies wie eine triviale Anforderung erscheinen mag, führten viele wichtige Innovationen - Durchbrüche, die Spekulationen ausgelöst haben könnten - nicht zu einer Blase aus dem einfachen Grund, dass Investoren nicht in sie investieren konnten. So unterschiedliche Innovationen wie Freon, Bakelit, Hovercraft, Cortison und Ölbohrungen waren alle Kandidaten für Spekulationen, bei denen keine reinen "Spielinvestitionen" möglich waren. Als Investoren können wir nur in eine Teilmenge von Möglichkeiten investieren, für die reine "Spielerzählungen" konstruiert werden.

Blasen bilden gewissermaßen den Unterschied zwischen Fiktion und Realität ab und Investoren brauchten eigentlich Werkzeuge, um diese Differenz abschätzen zu können. Und solche, allerdings unscharfe Werkzeuge sind etwa die Narrative über die Zukunft. Je fantastischer diese Visionen, umso radikaler erscheinen potenziell die imaginierten Zukunftswerte. Je mehr von den aktuellen wirtschaftlichen Wertschöpfungsketten potenziell verdrängt werden könnten, umso wertvoller scheint das Investment in der Zukunft real werden zu können. Aber mit der prinzipiellen Unsicherheit müssen wir leben lernen.

Einige Technologien sorgen für bessere Geschichten als andere, weil sie "erzählbarer" sind. Sie sind ausreichend fortgeschritten, um die imaginäre Zukunft möglich erscheinen zu lassen, und wenn sie Dinge ansprechen, die vielen von uns wichtig sind, umso besser. Dies macht es vertrackt, wie Chip Heath und Dan Heath es in ihrem Buch Made to Stick: Why Some Ideas Survive and Others Die (2007) ausdrückten. Menschen kommunizieren lieber über allgemeine Erzählungen als über das konkrete Design von Hochöfen (Stahlherstellung); die imaginäre Zukunft von Elektroautos, die den Planeten retten, ist interessanter als die imaginäre Zukunft des Automatikgetriebes, das Handschaltungen ersetzt.

Das zeigt das grundlegende Dilemma von (allen?) Zukunftsentscheidungen. Die Geschichten, die wir uns erzählen, sind oft zu allgemein, zu einfach, zu suggestiv, zu sehr Wunschdenken und zu wenig von konkretem Wissen getragen. Wir müssen besser lernen, den Hintergrund, den Kontext und die Komplexität einer neuen Idee ganzheitlich, aber gleichzeitig konkreter zu begreifen. Damit

könnten wir uns besser gegen die Anziehungskraft der heroischen Erzählung wehren und erkennen, dass einige Geschichten buchstäblich zu gut sind, um wahr zu sein. 

Das gilt für Wind- und Solarenergie genau so wie für Elektroautos und wohl auch für soziale Innovationen wie z. B. das bedingungslose Grundeinkommen.

Die Irrationalität der Blasen-Ökonomie

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