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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
"Wir" nicht, sagt Quico Toro auf Persuasion - einer Plattform, in der gewichtige Stimmen wie Yascha Mounk, Jonathan Haidt, Steven Pinker oder auch Ivan Krastev publizieren.
Also wer hat konkret "die Macht" um den Klimawandel sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig zu stoppen? Und warum steigt der globale CO2-Ausstoß trotz der UN-Klimakonvention und der jährlichen Weltklimakonferenzen (COP, Conference of the Parties)?
Quico Toro umschreibt das Problem der ersten Frage wie folgt:
"Wir müssen jetzt handeln, um eine Klimakatastrophe abzuwenden". Das ist eine Binsenweisheit des 21. Jahrhunderts, eine Binsenweisheit, die mantramäßig von so ziemlich jedem in der Klimabranche wiederholt wird. Es klingt wie Mutterschaft und Apfelkuchen, eine Binsenweisheit, der niemand widersprechen kann. Es gibt nur ein Problem mit ihr. Es ist nicht wahr. Das Problem versteckt sich schon im ersten Wort: wir. Wer ist das "wir", das "jetzt handeln muss"?
Dieses "wir" bleibt entweder abstrakt oder es meint uns Menschen in den wohlhabenden, "fortgeschrittenen" Demokratien. Wir könnten den Klimawandel stoppen, wenn "wir" wirklich endlich handeln würden. Ein anschauliches Beispiel, ist für mich die sicher gut gemeinte Schlußfolgerung in diesem Forum-Beitrag:
Die SONAR-Publikation liest sich wie eine moderne Landkarte der globalen Krisen und der Unfähigkeit der meisten Menschen, diese Krisen wahrzunehmen und anzugehen. Es wird daher Zeit, dass die Menschen, die um diese Gefahren wissen, in Talkshows, auf Konferenzen, als RednerInnen in Panels, als AutorInnen den Mythos von der Entscheidung zwischen Klimaschutz und Wohlstand als das demaskieren, was es letztlich ist: Eine dreiste Lüge.
Aber "die Menschen" nehmen diese Poly-Krisen sehr wohl war. Nur sehr unterschiedlich, mit verschiedenen Gewichtungen. Und die westlichen Demokratien haben sich schon länger für den Klimaschutz entschieden. Der globale CO2-Ausstoß wächst allerdings weiter. Erschüttert werden aber Wachstum und Wohlstand in der westlichen Welt. Etwas stimmt also nicht an unseren westlichen Strategien oder Narrativen. Wir sind eben nicht allein auf der Welt und nicht mehr der Nabel der Welt. Dazu Toro:
Wenn die weltweiten Emissionen weiter steigen, dann nicht, weil wir nicht handeln. Was das Emissionswachstum heutzutage antreibt, sind die Milliarden armer Menschen in den Entwicklungsländern, die nach der Sicherheit und dem Komfort eines Lebens in der Mittelschicht streben. Und der Armut zu entkommen, erweist sich als sehr kohlenstoffintensiv.
Kamen 1970 noch 69 % der Treibhausgasemissionen aus unseren reichen Ländern, sind es heute nur noch 33 %. Hier nehmen die Emissionen langsam ab, dort zu.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur werden 85 % des Anstiegs der Stromnachfrage in den nächsten drei Jahren von den Entwicklungsländern ausgehen.
Das bedeutet,
die Entscheidungen, die den größten Teil der künftigen Emissionen bestimmen, (werden) von Menschen getroffen, von denen Sie noch nie etwas gehört haben, die in Ländern leben, in denen Sie noch nie waren, und die versuchen, Ziele zu erreichen, die Sie nicht teilen, und die auf Druck reagieren, den Sie nicht verstehen.
Quico Toro nennt diese Tatsache das große Tabu der westlichen Klimabewegten - der entscheidende Treiber ist nicht mehr der Westen. Es ist nicht die Frage, ob der kollektive Westen (den es so wohl auch nicht gibt) sich zwischen Klimaschutz oder Wohlstand entscheidet (was in der Tat die falsche Frage wäre).
Die großen, wegweisenden Klimaentscheidungen werden von Politikern in Jakarta, von Beamten der öffentlichen Versorgungsbetriebe in São Paulo, von Führungskräften der Ölgesellschaften in Dubai und vor allem von Kabinettsministern in Neu-Delhi und Mitgliedern des Politbüros in Peking getroffen. Menschen, auf die wir so gut wie keinen Einfluss haben.
Was für mich nicht heißt, das wir hier gar nichts bewirken können, wie es Toro nahe legt. Aber strategisch müssen wir die sich verschiebenden Verhältnisse unbedingt beachten, in konkretes Handeln für unsere Zukunft einbauen. Was z.B. nicht geht, wäre etwa der Weg energieintensive Industrien hier zu schließen und dann deren Produkte aus Ländern zu importieren, die diese mit fossilen Energien herstellen.
In einem anderen Beitrag versucht Toro, die Handlungszwänge der Politiker im globalen Süden verständlicher zu machen.
Als Führer in den Entwicklungsländern werden Sie im Grunde nie eine Strafe für die Nichteinhaltung eines COP-Versprechens zahlen müssen. Aber Sie werden mit Sicherheit eine Strafe zahlen, wenn Sie nicht dafür sorgen, dass die Wirtschaft wächst und die Lichter brennen.
Die Politiker der ärmeren Länder stehen unter dem enormen Druck schnell Wohlstand zu schaffen, Wachstum zu beschleunigen.
Wenn Sie in den Entwicklungsländern Macht ausüben, geht es für Sie um das Überleben Ihrer Karriere, wenn Sie für Wachstum sorgen. In demokratischen Ländern können Sie abgewählt werden. Aber selbst wenn Sie an der Führung einer Autokratie beteiligt sind, besteht Ihre beste Chance, an der Macht zu bleiben darin, für einen steigenden Lebensstandard zu sorgen. Und der einzige bekannte Weg, dies zu erreichen, ist die Schaffung von Wachstum. Die Realität sieht so aus, dass ab 2024 die große Mehrheit der Staats- und Regierungschefs in den Entwicklungsländern angesichts der realen Anreizstrukturen, mit denen sie konfrontiert sind, rationale Entscheidungen treffen wird, die zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen führen.
Toro nennt auch Länder, in denen Gesellschaften und ihre Wirtschaften ruiniert wurden. Etwa Südafrika oder sein Herkunftsland Venezuela, in denen spektakulär inkompetente Regierungen zu wachsendem Elend bei sinkenden Emissionen geführt haben. Aber das ist Gott sei Dank nicht der Normalfall. Viel häufiger sehen wir Ergebnisse
in Ländern wie Vietnam, Brasilien, Indonesien, Mexiko, Nigeria, Ägypten und den Philippinen …., wo der Lebensstandard langsam, aber stetig steigt, wo Jahrzehnte lang arme Menschen zur Mittelschicht aufsteigen. In diesen Ländern wächst die Wirtschaft und wird weiter wachsen. Infolgedessen werden auch die Emissionen weiter ansteigen.
Aber sicher nicht ewig und auch nicht ohne die erneuerbaren Energien. Diese werden ihre Zeit und ihren Platz dort haben. Oder wie es Toro formuliert:
Es ist schön und gut, den Führern dieser Länder das Evangelium der erneuerbaren Energien zu predigen. Wir sollten auf jeden Fall alle weiter daran arbeiten, erneuerbare Energien für Entscheidungsträger in solchen Ländern attraktiv zu machen.
Aber ohne Angst vor einer nahenden Apokalypse und mit möglichst klarem Blick auf die differenzierten Realitäten, auf die verteilte Macht in unserer Welt.
Quelle: Quico Toro EN www.persuasion.community
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