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Volk und Wirtschaft

Woher die Phantasiepreise für Medikamente kommen

Antje Schrupp
Politikwissenschaftlerin, Journalistin
Zum Kurator'innen-Profil
Antje SchruppDonnerstag, 10.10.2024

Wer bestimmt eigentlich, wie teuer Medikamente sind? Dieser Frage geht diese detailreiche Recherche am Beispiel der Schweiz nach. Die Schweiz spielt eine Schlüsselrolle, weil sich die Verhandlungen zwischen dem Pharmakonzern, der ein neues Medikament verkaufen will, und den Krankenkassen eines Landes, die die Kosten dafür übernehmen sollen, unter anderem an den Preisen orientieren, die anderswo bezahlt werden. Als kleines, aber reiches Land ist die Schweiz dabei wichtig.

Denn: Die offiziellen Listenpreise stehen in aller Regel nur im "Schaufenster", wo sie der Preistreiberei dienen. In Wirklichkeit werden meist erhebliche Rabatte ausgehandelt, die allerdings geheim gehalten werden. Das heißt: Wie viel genau ein Medikament kostet, weiß also niemand außer denen, die sie ausgehandelt haben. Der entscheidende Mechanismus dabei ist letzten Endes ganz schlicht Erpressung: Wenn die Staaten beziehungsweise Krankenkassen sich auf den Deal nicht einlassen, bedeutet das nämlich, dass ihre Versicherten das Medikament nicht bekommen oder privat selbst bezahlen müssen.  

Das Thema ist komplex, und gerade Deutschland strebt derzeit an, sich von den Knebelverträgen etwas unabhängiger zu machen. Wer mal einen Durchblick bekommen will, wie das alles läuft, und verstehen möchte, warum die Ausgaben für Medikamente kontinuierlich steigen - und die Staaten offenbar völlig machtlos sind, um da gegenzusteuern - ist nach der Lektüre deutlich klüger.    

Woher die Phantasiepreise für Medikamente kommen

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Kommentare 9
  1. Antje Schrupp
    Antje Schrupp · vor einem Monat

    Gerade wurden auch in Deutschland Geheimpreise beschlossen. https://www.tagesschau...

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Monat

      Ich bin mir nicht sicher, das bei offengelegten Preisen die Kosten für D steigen würden. Im Gegenteil. Pharmakonzerne wären m.E. eher interessiert auf einem so großen und solventen Markt hohe Preise offenzulegen, um diese als Hebel in anderen Ländern zu nutzen. Niedrig ausgehandelte Preise sollten aus der Sicht der Konzerne allerdings eher nicht kommuniziert werden. Da hätten wiederum die anderen Staaten einen Hebel. Spieltheoretisch ist das interessant. Gibt es dazu keine seriösen Studien?

    2. Antje Schrupp
      Antje Schrupp · vor einem Monat

      @Thomas Wahl Ja, das ist ja das Problem - es werden ja Preise offengelegt, d.h. es gibt eine offizielle Preisliste, an der sich die anderen Länder orientieren - aber in Wirklichkeit werden Rabatte bezahlt. D.h. die Preise sind offiziell höher als in Wirklichkeit.

  2. Laura L
    Laura L · vor einem Monat

    Ich finde den Artikel sehr reißerisch & nicht ausgewogen. So einfach ist das mE nicht.
    Der Preisbereich für ein neues Medikament ist durch die Nutzenbewertung & andere Kriterien eingegrenzt. Ja, wenn sich Krankenkassen & Hersteller nicht einigen, kann der Hersteller im schlimmsten Fall entscheiden das Medikament nicht auf den Markt zu bringen. Zu dem Zeitpunkt hat er allerdings schon Millionen / Milliarden in dessen Entwicklung, klinische Studien etc. gesteckt. Und würde immer noch an einer Kommerzialisierung verdienen. So eine Entscheidung wird daher nicht leichtfertig getroffen. Vllt in der Schweiz öfter als zB in Deutschland, weil sie so oft referenziert werden.
    Gerade weil Medikamente für uns so wichtig sind und immer wichtiger werden, muss sich mE deren Forschung & Kommerzialisierung lohnen. Wir können gerne darüber reden, dass das gesamte System reformiert werden muss. Aber einfach nur zu sagen „Big Pharma ist böse“ finde ich zu einfach.
    Als krasses Gegenbeispiel bitte ich die Situation bei Antibiotika zu bedenken. Da sind die Preise so niedrig, dass schon seit Jahren nicht mehr geforscht wird (außer wenn Pharmakonzerne sich trotzdem dafür entscheiden, obwohl es ein Verlustgeschäft ist…)- mit verheerenden Folgen. Resistenten werden oft die „stille Pandemie“ genannt.

    Super interessantes & wichtiges Thema, lohnt sich auf jeden Fall da weiter zu graben 🙂

    1. Antje Schrupp
      Antje Schrupp · vor einem Monat

      Hallo Laura - ich finde, der Artikel sagt grade nicht einfach "Big Pharma ist böse", sondern zeigt sehr genau und differenziert auf, wo die Probleme liegen. Zum Beispiel wird ausdrücklich anerkannt, dass die Forschungs- und Produktionskosten wieder reinkommen müssen, aber genau das wird ja nicht transparent gemacht. D.h. die Firmen können einfach behaupten, was sie wollen, ohne dass es sich irgendwie nachprüfen lässt oder auch nur die Plausibilität nachvollziehbar ist. Oder eben dass die Rabatte geheim gehalten werden, sodass das Instrument, sich an den Marktpreisen jeweils zu orientieren, schlicht unterlaufen wird.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Monat · bearbeitet vor einem Monat

      @Antje Schrupp Die Pharmafirmen legen sehr wohl ihre FuE-Ausgaben und ihre Gewinne offen. Allerdings nicht für die einzelnen Medikamente. Aber diese müssen die Kosten für die gesamte Forschung einspielen - also auch für die nicht erfolgreiche aber notwendige Suche. Es macht also keinen Sinn nur die unmittelbaren Kosten für ein einzelnes Medikament zu betrachten. Insofern ist das mit der fehlenden Transparenz mehr oder weniger ein ad hoc-Scheinargument. Ebenso liegt das steigen der Medikamentenaussgaben nicht nur an den hohen Preisen neuer Medikamente. Es gibt auch immer mehr und speziellere Medikamente. Es werden auch immer mehr Medikamente konsumiert. Wenn ich kritisiere, dann muß ich auch umfassend berichten. Man kann natürlich "Marktpreise" in dem Sinne, dass Käufer und Verkäufer direkt verhandeln, fordern. Das würde heißen, dass der Staat seine Finger mehr oder weniger ganz raus läßt. Keiner weiß was dann für Preise entstehen würden. Was wir jetzt haben ist eigentlich kein Markt, sondern ein völlig überreguliertes globalisiertes Mischsystem zw. versuchter nationaler Planwirtschaft, verschiedenen sonstigen Interessengruppen und dann noch die Produzenten, Händler und Konsumenten.

      Und der "entscheidende Mechanismus dabei ist letzten Endes" nicht ganz schlicht Erpressung. Wenn die Staaten beziehungsweise Krankenkassen sich auf den Deal nicht einlassen, entgeht den Konzernen ein großer Markt. Worauf sich Unternehmen sicher nicht einlassen, das sind Verluste beim Verkauf. Und natürlich werden sie versuchen, über Mischkalkulationen in reichen Ländern über höhere Preise die niedrigeren Preise in ärmeren Staaten zu decken.

      Und ja, die wirtschaftlich schwächeren Staaten haben Probleme teure Medikamente zu bezahlen. Soviel ich weiß, werden daher auch wichtige Medikamente dorthin zu niedrigeren Preisen exportiert. Aber der Ausweg kann letztendlich nicht sein, dass diese Länder alles sehr billig und subventioniert bekommen. Sie müssen selbst Wohlstand und nichtkorrupte, funktionierende Gesundheitssysteme (und andere Institutionen) entwickeln.

      Sicher liegt noch vieles im Argen, was die Medikamentenversorgung, die Kosten und Preise etc. betrifft. Das System der Preisfindung ist zu komplex. Gegenwärtig fehlt es allerdings wohl an ganz billigen Pillen, da die Wertschöpfungsketten für ganz einfache Grundstoffe nicht funktionieren.

    3. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor einem Monat

      @Thomas Wahl Das ist korrekt – ergänzt werden kann, dass eine gesamtwirtschaftliche Analyse fehlt: ein langfristiger Vergleich der Gewinnentwicklung im Verhältnis zu den FuE-Aufwendungen der Unternehmen. Sowie im Falle überproportionaler Gewinne die Frage: Wurden diese ausgeschüttet oder in neue FuE reinvestiert? Nur so ist eine Bewertung ohne Verengung auf die laufenden Kosten möglich.

      Auf der Mikroebene werden die komplexen Preisverhandlungen nicht zu entschlüsseln sein. Einfacher wäre es mit Verstaatlichung lebensnotwendiger Medikamentenherstellung – Gesundheitsschutz als staatliche Aufgabe prioritär gegenüber dem Schutz der Betriebsgeheimnisse. Würde das Gesundheitssystem dadurch besser? Der Wettbewerb auf zwischenstaatlicher Ebene wäre nicht vorbei. Beim Lesen des Artikels entsteht eher der Eindruck, dass die bestehende – unbedingt notwendige – staatliche Regulierung nicht geeignet ist.

      In D spielt sich der „Wettbewerb“ zusätzlich zwischen knapp 100 Gesetzlichen Krankenkassen ab. Bei gängigen Medikamenten handeln sie Verträge mit mehreren Herstellern aus, die gleiche Wirkstoffe in unterschiedliche Trägerstoffe und mit anderen Labels verpacken. Interessant wäre, inwieweit das zu Kostensteigerungen bei der Medikamentenversorgung führt.

      Zum Problem der Unterversorgung ärmerer Länder mit lebensrettenden/-verlängernden Medikamenten: In den 1990ern erfuhr ich von Bitten aus Afrika an einen Pharmakonzern, die Produktion von Generika eines Anti-AIDS-Präparats zu genehmigen. Lizenzen wurden nicht erteilt mit der Begründung, dass die Forschungskosten erst einmal hereingeholt werden müssten. Wie es anders geht, berichtet das Ärzteblatt: Das Pharmaunternehmen Gilead schloss kürzlich freiwillige Lizenzvereinbarungen zur Herstellung von Lenacapavir-Generika in 120 Ländern ab: https://www.aerzteblat...

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Monat

      @Lutz Müller Ja, so sehe ich das auch. Kein Staat könnte heute die komplette Medikamenten-Palette für sich allein erforschen, entwickeln und produzieren. In D kämpfen ja übrigens nicht nur der Handel und die Kassen sondern auch die Apotheken und die Ärztevereine um den Kuchen. Das ganze System ist überkomplex. Und wahrscheinlich ist es in anderen Ländern ähnlich.

  3. Ferdinand H
    Ferdinand H · vor einem Monat

    Preise zu setzten die nicht mit dem Preis der Erzeugung des Medikamentes zu tun haben sind eine ekelhafte Masche. Bereicherung von Personen in Not.

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