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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Was ist, woran erkennt man den Faschismus?

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergDienstag, 02.07.2024

Sind die neuen rechtsextremen Parteien oder Bewegungen faschistisch? Ist Faschismus ein auch heute noch sinnvoller Ausdruck, um die Schrecken des Gestern mit den Gefahren des Heute zu verbinden?

Es begann in Italien. Benito Mussolini errichtete 1922 das erste faschistische Regierungssystem. Er war als Führer ein Vorbild für Hitler, aber zunächst kein Antisemit.

Erst 1938 führte er ausgrenzende Judengesetze ein, die noch keinen vernichtenden Antisemitismus darstellten. Dieser entwickelte sich erst als die Deutschen einmarschierten und Juden in die Vernichtungslager deportierten.

In einer kleinen Serie umkreise ich den Faschismus gestern und heute, Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

"Die Gärten der Finzi-Contini" von Giorgio Bassani ist mit Abstand das berühmteste Buch, welches den italienischen Faschismus darstellt und mit der deutschen Judenvernichtung endet. Der Journalist und Historiker Gustav Seibt urteilt:

Der Romancier Giorgio Bassani ist der bedeutendste Historiker in der neueren italienischen Literatur. Bei ihm verschmelzen Kunst und historischer Stoff vollkommen.

Kein Geringerer als Vittorio De Sicas, Regisseur des Klassikers "Fahrraddiebe - Ladri di biciclette", verfilmte den Roman von Bassani und erhielt dafür 1972 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.

Der wohlhabende jüdische Literaturprofessor Finzi Contini lebt in der italienischen Stadt Ferrara mit seiner Familie auf einem großzügigen Anwesen. Da die jüdische Bevölkerung gegen Ende der 30er Jahre im Zuge von Mussolinis antisemitischer Politik zunehmend ausgegrenzt wird, öffnet er den üppigen Garten, um sich und seinen beiden Kindern die Freizeitgestaltung mit Freunden zu ermöglichen. Unter den jungen Leuten, die sich während des Sommers dort treffen, ist auch Giorgio, der schon seit seiner Kindheit in Micòl, die Tochter des Hauses, verliebt ist.

Auch Micòl scheint eine besondere Zuneigung für Giorgio zu empfinden, der ihrem kranken Bruder Alberto verblüffend ähnelt. Dennoch begegnet sie Giorgio mit einem seltsamen Wechsel aus Nähe, Verbundenheit und Distanz. Nach einem Aufenthalt in Venedig erklärt sie ihm, ihn nicht mehr sehen zu wollen. Giorgio reist daraufhin zu seinem Bruder, der in Frankreich studiert. Hier erfährt er zum ersten Mal von den Konzentrationslagern und der Gewalt gegen Juden in Deutschland.

Bei seiner Rückkehr nach Ferrera wird die Situation mit Ausbruch des Krieges auch für Italiens Juden immer bedrohlicher. Im Jahr 1943 verhaftet man die Finzi Contini, um sie zu deportieren ...

Antisemitismus ist keine zwingende Grundlage des Faschismus; einige der Juden in Ferrara unterstützen sogar Mussolini.

Bis zum heutigen Tag kommen Touristen nach Ferrara, um die von Bassani beschriebenen Gärten der Finzi-Contini zu besuchen - die es so wie im Roman nie gab.

Deshalb ist Dokumentation „Auf der Suche nach den Gärten der Finzi-Contini“ ungemein aufschlussreich. Wie beeinflussen Kunstwerke, Vorstellungen und Ideen unsere Sicht auf die Welt?

Beleuchtet werden der historische Kontext, die Macht der Bilder und der Worte, die faszinierenden Figuren des Romans, die Verfilmung des Stoffs durch Vittorio De Sica und die Bedeutung eines unvergessenen Werks.
Der Spielfilm ist nur noch bis zum 17/07/2024 in der arte-Mediathek verfügbar; die Dokumentation bis zum 15/09/2024.


Noch wenige Hinweise zu beiden Filmen, die im Pick nicht im Fokus stehen können: Der Roman und der Film erzählen auf unterschiedliche Weise Liebesgeschichten. Es sind große Werke über das Begehren. 

Aber auch zur Frage, wo und wie man in die Fiktion gehen kann, wo man dokumentieren und wo erfinden sollte, bringt die Doku Erhellendes. Darüber zerstritten sich Regisseur und Autor aufschlussreich, die über das konkrete Beispiel hinausgeht und Universelles erzählt. Das sind aber andere Geschichten.

Gestern & Heute: Was ist, woran erkennt man den Faschismus?

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Kommentare 4
  1. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor 3 Monaten

    Danke für die Pick-Serie. Beide hier empfohlene Filme habe ich jetzt gesehen.

    Die Vernichtung der italienischen Juden begann erst nach der deutschen Besatzung.
    Jedoch, gibt es Belege dafür, dass Mussolini zunächst kein Antisemit war?
    Die Rassengesetze kamen nicht von ungefähr - wurden durch den Hitlerfaschismus inspiriert, aber nicht befohlen.

    Eine Einordnung der historischen Ereignisse: https://www.deutschlan...

    sowie https://de.wikipedia.o...

    Tagebuchnotizen mit Äußerungen Mussolinis sprechen für sich: https://www.wissenscha...

    Ergänzend zur Rezeption der faschistischen Vergangenheit in der heutigen italienischen Gesellschaft:
    Ingo Zamperoni unternahm im vergangenen Jahr eine „sehr persönliche filmische Reise durch Italien“ https://www.ndr.de/der...

    Die Doku gibt es auf https://www.ardmediath... bis Sept. 2030.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 3 Monaten

      Danke für die Ergänzungen.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Monaten

      Danke, interessante Ergänzung …..

  2. Jürgen Klute
    Jürgen Klute · vor 4 Monaten

    Danke für den Hinweis auf die Unterschiede zwischen Nationalsozialismus und Faschismus. Das geht oft unter in der Debatte, dass die Nazis noch um Welten brutaler und unmenschlicher waren als die Faschisten in Italien und in anderen europäischen Ländern es waren.

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