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Flucht und Einwanderung

Geschichten syrischer Wehrdienstverweigerer

Lars Hauch
Researcher. Schwerpunkte: Mittlerer Osten, insbesondere Syrien.
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Lars HauchSamstag, 11.07.2020

Während Millionen junger Syrerinnen und Syrer aus ihrem Heimatland fliehen mussten bzw. "konnten" (große Anführungsstriche), sitzt der Rest dort fest. 

Junge Männer teilen die Furcht vor dem obligatorischen Wehrdienst. Um dem zu entgehen, werden sie kreativ: Sie vermasseln absichtlich ihre Examen im Abschlussjahr der Schule, um eine Ehrenrunde drehen zu können. Studenten bummeln in der Uni, soweit es unauffällig möglich ist.

Viele verstecken sich schlicht. Praktisch heißt das für einige: Seit bald 11 Jahren ein Leben im Verborgenen. Wenn sie überhaupt das Haus verlassen, müssen sich die Männer haargenau überlegen, wohin sie gehen können, um die Checkpoints der Armee und der Sicherheitskräfte zu umgehen. Heiraten oder sonstige Dinge, für die offizielle Dokumente nötig wären, sind undenkbar. Ein Besuch bei einer Behörde würde bedeuten, aufzufliegen. 

In dem verlinkten Artikel hat eine syrische Journalistin die Schilderungen einiger dieser "Wehrdienstverweigerer" zusammen getragen. 

Da ist zum Beispiel Emad, der durch Beziehungen seinen Wehrdienst fern der aktiven Frontlinien leisten konnte. Während seine Kameraden am Checkpoint sich an den Ladungen passierender Fahrzeuge bereicherten und Wegzölle erpressten, war Emad innerlich ganz bei seiner großen Leidenschaft: Der Poesie. Nach dem Dienst schrieb er Gedichte. Anfangs war der befehlshabende Offizier skeptisch, aber weil die Inhalte nicht politisch waren, durfte er weiter machen. 

Mazen ist nicht bloß mental geflohen, sondern physisch. Er versteckt sich seit fast 10 Jahren in seiner Heimatstadt. Mazen fragt sich, ob seine Entscheidung die richtige war. Seinen Wehrdienst hätte er mittlerweile schon hinter sich. Vorausgesetzt, er hätte überlebt. Aber das Dasein im Untergrund empfindet er als demütigend und sinnlos. 

Alaa versteckt sich ebenfalls. Ein Freund bei der Armee steckt ihm, wann Patrouillen kommen, die nach flüchtigen Männern suchen. Er baut Gemüse auf dem Land seines Vaters an und verkauft es. "Wenn ich es wachsen sehe, weiß ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe", sagt er. 

Der Wehrdienst verändert außerdem das soziale Gefüge im Allgemeinen: Wenn man der einzige Sohn der Familie ist, muss man nicht dienen. "Einzelsöhne" sind deshalb auch auf dem Heiratsmarkt sehr gefragt, berichtet der Journalist. Denn junge Frauen heiraten in die Ungewissheit, wenn ihrem Mann der Wehrdienst noch bevorsteht. 

Wichtig für uns, als Außenstehende: In der Wahrnehmung des Krieges in Syrien sollten wir nie vergessen, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen schlicht kein Interesse an Gewalt hat. 


Geschichten syrischer Wehrdienstverweigerer

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