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Flucht und Einwanderung

Gestern & Heute: Flucht und Rückkehr als Widerstand

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMittwoch, 30.09.2020

Flüchtlinge sind die Schwachen – in der Regel, aber es muss nicht immer so bleiben. Flucht und Rückkehr kann auch eine Form des Widerstands sein.

Das wird in der ZDF-Doku "Rückkehr in Uniform: Jüdische Deutsche im Krieg gegen Hitler" anhand von deutschen Juden, die vor der Nazi-Gewaltherrschaft flohen, im Exil manchmal sogar als feindliche Ausländer eingestuft wurden, aber schließlich in die Armeen der Alliierten eintraten.

So kamen sie als amerikanische, britische oder sowjetische Militärs zurück.

Zu ihnen gehören heute unbekannte, aber auch bekannte Persönlichkeiten wie der Filmregisseur Konrad Wolf, der als jugendlicher sowjetischer Offizier zurückkehrte. Oder der Schriftsteller Stefan Heym, der in der amerikanischen Uniform erschien. Manche blieben ihrem Herkunftsland verbunden, wie der aus Hildesheim stammende Germanistikprofessor Guy Stern (eigentlich Günter), der aber seinen Lebensmittelpunkt in seinem amerikanischen Exilland fand.

Manche gingen auch einen Mittelweg, wie der in Film und Werk famose Georg Stefan Troller, der sich zwar dem deutschen Sprachraum zugehörig fühlt, aber als Amerikaner in Paris lebt.

Alle Protagonisten des Films waren Opfer und Handelnde, die sich ähnliche Fragen stellten: Was mache ich im Exil? Schaffe ich mir eine Existenz auf Dauer oder denke ich schon bei der Ankunft an die Rückkehr? Werde ich Teil der Armeen, die gegen die Nazi-Diktatur kämpfen?

Die, die Flucht und Rückkehr als Widerstand wählten und als Militär zurückkehrten, wurden oftmals als erste mit dem Ausmaß der Verblendung und Verrohung konfrontiert, weil sie Gefangene verhörten oder deren Aussagen übersetzten. Spannend, wie sie ihre Landeskenntnis nutzten, erregend, welche Verhörtechniken sie anwandten. Oft gehörten sie auch zu den ersten, die das Grauen von Lagern wie Bergen-Belsen oder Dachau sahen. Oft suchten sie in Deutschland verbliebene Angehörige und mussten dabei schreckliche Wahrheiten entdecken. Etliche vermissten im Exil die Heimat, die ihnen nach der erkämpften Rückkehr fremd geworden war.

Das große Thema Flucht als politische Handlung ist natürlich nicht nur an die Nazizeit gebunden, sondern ist relevant für verschiedene Zeiten – bis hin zu unserer.

Jenseits des Zweiten Weltkriegs diskutiert dies hier die Kulturwissenschaftlerin Iris Dämann in mannigfachen Formen und Gebieten. Ein Ausgangspunkt ihres Essays ist nicht zufällig ein Hitler-Flüchtling:

Der hete­ro­doxe Wirt­schafts­wis­sen­schaftler Albert O. Hirschman, der als Sozia­list jüdi­scher Herkunft kurz nach der Macht­er­grei­fung der NSDAP im April 1933 aus Deutsch­land floh, hat in den 1970er Jahren Reak­ti­ons­weisen von Kunden und Orga­ni­sa­ti­ons­mit­glie­dern unter­sucht, die kraft der Prak­tiken Exit oder Voice ihre Unzu­frie­den­heit mit dem Leis­tungs­ab­fall eines Unter­neh­mens oder einer Orga­ni­sa­tion zum Ausdruck bringen. Das lässt sich auch und gerade poli­tisch verstehen: Ausge­hend von einem ordi­nary-language-Befund geht es in einem histo­ri­schen Perspektiv­wechsel um die Wieder­ge­win­nung der poli­ti­schen Rele­vanz der Flucht.

Gestern & Heute: Flucht und Rückkehr als Widerstand

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