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Flucht und Einwanderung

Gestern & Heute: "Leben retten, schützen und bezeugen" (SOS MEDITERRANEE)

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergDienstag, 04.08.2020

Ohne das Versagen der EU am Mittelmeer, ohne die Krisen Afrikas (gravierende Auswirkungen der Klimakatastrophe mit Dürre und Verwüstung, korrupte, also autoritäre Regime, Bürgerkriege) wäre SOS MEDITERRANEE nicht gegründet worden.

Seit nunmehr 3 Jahrzehnten, ja, seit 1990 (!) sterben vermehrt Menschen im Mittelmeer, die aus lebensfeindlichen Gebieten fliehen.

Als die staatliche Seenotrettung nahezu eingestellt wurde, entschieden Bürgerinnen und Bürger in mehreren europäischen Ländern, im Jahre 2015 aktiv zu werden.

Im Interview für die UNO-Flüchtlingshilfe begründet es Julia Schäfermeyer, Communication Officer für SOS MEDITERRANEE an Bord der Ocean Viking:

Unsere Arbeit im europäischen Verbund ist der Solidarität und der Achtung der Menschenwürde verpflichtet und basiert auf einer breiten Bewegung europäischer Bürgerinnen und Bürger.

SOS MEDITERRANEE ist gegründet worden von Klaus Vogel, ein in der internationalen Handelsschifffahrt tätiger, deutscher Kapitän, und Sophie Beau, einer französischen Menschenrechtsaktivistin. Es ist eine Organisation, die neben der Rettung auch Fluchtschicksale dokumentiert.

Ihr Motto ist die Überschrift dieses piqs.

Auf der Webseite findet man schnell ausgewählte Zeugenaussagen von Geretteten aus allen Einsätzen vom ersten Rettungsschiff Aquarias bis zum heutigen Ocean Viking.

Es ist eine kleine Geschichte der spendenfinanzierten Seenotrettung aus der Sicht der Überlebenden, vom ersten Einsatz an und es wird ständig aktualisiert.

Ein Blick auf diese Webseite in einer Woche, einem Monat und wahrscheinlich später lohnt sich.

Wir hatten jegliche Hoffnung verloren, und waren so dankbar, als wir gerettet wurden. Auf dem Rettungsschiff fühlte man sich wertgeschätzt, sie behandelten uns mit Würde und Respekt, sie gaben uns etwas zu essen, anders als in Libyen, wo sie nur die Sprache der Waffen verstehen. Wir hatten seit zwei Tagen nichts gegessen. An Bord dieses Schiffes (der Aquarius) wurden wir wie Menschen behandelt. Das reicht uns schon. In Libyen waren wir bloß Sklaven.

Ähnliches hört die heutige Besatzung immer noch von Menschen, die aus und durch Libyen flohen.

So sagt Julia Schäfermeyer im aktuellen Gespräch:

Am Osterwochenende sind erneut Menschen im Mittelmeer ertrunken und die Lage in Libyen spitzt sich weiter zu. Solange unsere Arbeit auf See unmöglich ist, ist das Risiko noch größer, dass Menschen auf der Flucht vor den katastrophalen Zuständen in Libyen im Mittelmeer ertrinken.

Als die heute 28-Jährige geboren wurde, war das Mittelmeer schon die gefährlichste Grenze der Welt. Ein Ende ist noch nicht abzusehen, aber im Gespräch erfährt man wie eine Rettungsaktion und die Arbeit an Bord organisiert ist.

Was geschieht aber, wenn die Geretteten an Land dürfen, gibt es dann noch weitere Kontakte?

Ich bin noch in Kontakt mit einer jungen Frau, die ich bei meinem ersten Einsatz im Oktober 2019 kennengelernt habe. Als ich im Herbst an Bord der Ocean Viking mit ihr gesprochen habe, hat mich ihr klarer Blick auf ihre eigene Situation und den politischen Kontext, in dem sie sich bewegt, nachhaltig beeindruckt. Sie ist geflohen, weil sie in der politischen Opposition in ihrem Herkunftsland in Westafrika aktiv war und um sie herum die Festnahmen und Repressalien zunahmen. Ich habe ihre Geschichte aufgenommen und am Ende des ausführlichen Gesprächs hat sie mir aus dem Kopf ein seitenlanges Zitat von Voltaire über bürgerliche Freiheiten vorgetragen. Ich war sprachlos.

Gestern & Heute: "Leben retten, schützen und bezeugen" (SOS MEDITERRANEE)

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