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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Kolonialismus ist ein heute häufig verwendetes Schlagwort - zum Teil sinnentleert und wenig konkret verwendet.
Die 1974 in Rom geborene Igiaba Scego ist eine italienische Schriftstellerin somalischer Herkunft.
An einem Denkmal in Syrakus erläutert sie den Nachhall des alten Kolonialismus. Schon ihr mehrere historische Ebenen verbindender Erzählstil nimmt mich für sie ein:
Syrakus ist einer der faszinierendsten Orte in Italien und man kann dort einige aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnen. Schon der römische Schriftsteller und Philosoph Cicero nannte die Stadt die schönste der „Magna Græcia“ des antiken Süditaliens. Hier verliefen die Handelswege der Griechen und der Phönizier und bis zur Eroberung durch die Römer war Syrakus ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Mittelmeerraum. Wie ganz Sizilien hat die Stadt Beutezüge, Eroberungen, Aufstieg und Niedergang erlebt. Im Laufe der Zeit sind Araber, Byzantiner, Normannen, Schwaben und Aragonier hier durchgezogen und haben in der atemberaubenden Landschaft ihre Spuren hinterlassen.
Dabei erläutert sie, dass das Kolonialdenkmal in Syrakus nicht die Faschisten aufstellten, sondern die Republik im Jahr 1952 (!) und wie vergiftet die Entkolonialisierung in Somalia stattfand:
Italien, also das Land, das Somalia kolonialisiert hatte, wurde von den Vereinten Nationen damit beauftragt, dem somalischen Volk die Demokratie nahezubringen. Somalia musste also die Demütigung durch die früheren Unterdrücker hinnehmen, um seine Unabhängigkeit zu erlangen.
Wer aber über Kolonialismus gestern und den Migranten heute sachkundig reden will, sollte bedenken, dass es nicht DEN Kolonialismus gab.
Es gab und gibt verschiedene Formen, deshalb sei dieser ältere Artikel empfohlen, der immer noch für tagesaktuelle Diskussionen taugt.
Wladislaw Inosemzew und Alexander Lebedew unterscheiden drei Phasen des Kolonialismus und damit drei Formen der Globalisierung.
Erste Etappe:
Die europäischen Staaten haben über Jahrhunderte ein globales System aufgebaut, das auch als „verwestlichte“ Welt beschrieben wird. Hinter dieser „Revolution der Verwestlichung“ stand die militärisch-technische Überlegenheit der Europäer, die ihnen den Zugang zu den entferntesten Weltregionen sicherte und die Eroberung aller Territorien ermöglichte, die sie brauchen konnten.
Spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts war das nicht mehr fortzusetzen. Da aber die westlichen Länder abhängig blieben von Gütern und Rohstoffen von den Rändern, begann der Neokolonialismus, der anders funktionierte.
Zweite Etappe:
Das eine ist die wirtschaftliche Durchdringung der Dritten Welt durch transnationale Unternehmen, was den neu entstandenen Staaten zwar die dringend benötigten Investitionen und technologischen Innovationen brachte, aber den Aufbau eigener komplexer Strukturen erschwerte. Das zweite ist die finanzielle Geiselnahme vieler Länder durch internationale Banken, die ihnen in den 1970er Jahren – in Zeiten hoher Rohstoffpreise und niedriger Zinsen – viel Geld liehen, das sie in den 1980ern, als sich die Marktbedingungen plötzlich geändert hatten, zurückhaben wollten.
Der Dritte, heute wirkende Kolonialismus verbindet korrupte Reiche aus der Peripherie mit denen aus den Zentren:
Dieses System zementiert die Überlegenheit des Westens über den Rest der Welt mit Methoden, die besser wirken als alle früheren. Allerdings ist diese neue Art des Kolonialismus für Europa viel gefährlicher als alle anderen Formen der Kontrolle überseeischer Besitzungen, denn in dem Maße, in dem die Verschleierung der Korruption zum täglichen Geschäft von zigtausend Europäern geworden ist, sind auch die europäischen Staaten und ihre Regierungen und Bürokratien korrumpiert.
Wer diese Dimensionen bedenkt, merkt, wie hilflos vieles ist, was sich als antikolonial bezeichnet, aber höchstens halbwissend ist.
Als Fazit nennen die beiden Autoren zwei wichtige Gründe, warum nur ein gemeinsamer Kampf erfolgreich ist:
Zum einen wird der Zustand der Rechtlosigkeit im globalen Süden viel wirksamer zementiert, als es unter den europäischen Statthaltern der Fall war, weil korrupte Praktiken nicht angetastet und lokale Antikorruptionsinitiativen eingeschüchtert werden. Zum anderen hat der Dritte Kolonialismus ein internationales Netz korrupter Politiker geschaffen – und damit etwas, was zuvor undenkbar gewesen wäre: ein enges Bündnis zwischen den Kolonialherren der Ersten und der Dritten Welt.
Ach, den zweiten Artikel kann man sich auch vorlesen lassen.
Quelle: Igiaba Scego, Wladislaw Inosemzew und Alexander Lebedew voxeurop.eu
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Mit scheint das etwas schematisch. Ob man die 3. Phase wirklich noch als Kolonialismus definieren kann? Asien zeigt ja, das da noch etwas ganz anderes passiert. Die Ablösung der Vorherrschaft des Westens. Auch seiner Dominanz in Afrika ....
Und Bündnisse zwischen den Kolonialisierern und den lokalen Herren hat es immer gegeben. Die Arte-Serie über Sklaverei zeigt sehr klar, wie die afrikanischen Könige sich zumindest zeitweise z.B. mit den Europäern zum wechselseitigen Vorteil verbündet haben.
https://www.arte.tv/de...