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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Am letzten Septembertag publizierte die Luzerner Zeitung ein Interview mit Thilo Sarrazin, dessen Aussagen als Meldung in verschiedenen Medien verbreitet wurden und Leserkommentare begrüß(t)en dessen angebliche Fakten. Deshalb am letzten Oktobertag wenige Anmerkungen.
ERSTENS: Auf den Einwand, dass er Kolonialismus und eine ungerechte globale Ökonomie ignoriert, reagiert er gar nicht. Hier zeigt sich, dass seine Meinungen, die sich als Fakten tarnen, den historischen Prozess vollständig ausblenden. Die europäische Eroberung der Welt kommt nicht mal vor.
ZWEITENS: Aber im Kleinen, da bringt er doch einiges ans Lichts, was häufig im Dunkeln bleibt. Die Zunahme von Vergewaltigungen durch Flüchtlinge ist doch eine Tatsache, oder?
"Man darf das nicht kleinreden", sagt der Kriminologe (Christian Walburg, Uni Münster, A.E.), auch nicht damit, dass nur 1,3 Prozent der Straftaten von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Geduldeten Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind, "erstens ist der Anteil damit fast doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung und zweitens ändert dies für die betroffenen Frauen nichts." Anlass zur Panik sieht Walburg allerdings auch nicht: "Insgesamt werden Frauen heute seltener Opfer eines sexuellen Übergriffs als noch vor 20 Jahren, die Vorstellung, dass Frauen sich heute nicht mehr auf die Straße trauen können, ist objektiv falsch."
DRITTENS: Nimmt man die im Gespräch als Fakten getarnten Meinungen zusammen, folgen sie immer einer Logik:
Mehr Grenzen, mehr Kontrolle, mehr Polizei, mehr Gefängnisse, mehr Strafen.
Dass das zu keinen Lösungen führt, sieht man in den USA - und das schon lange vor Trump.
VIERTENS: Ja, der autoritäre Ansatz verschärft sogar den Übermut der Ämter.
Spricht man mit Verwaltungsreformern hört man, dass der hochoffizielle Normenkontrollrat die sogenannte Flüchtlingskrise eine Verwaltungskrise nannte.
Der Kern des Problems liegt im Zuständigkeitsdenken. Die Verwaltung versucht immer, eine größere Aufgabe in „Häppchen“ zu unterteilen und diese Häppchen einzelnen Akteuren zur Einzelbearbeitung oder -entscheidung zu übergeben. Das klappt nicht, wenn die Problemstellung Wechselwirkungen aufweist. Und hier kann ein neuer, agiler Ansatz zum Tragen kommen, der eine mögliche Antwort auf die Herausforderungen gibt: Arbeit in „Arenen“, also ämterübergreifenden Teams, die gemeinsam die Probleme lösen und (und da liegt auch ein Knackpunkt der gegenwärtigen Kultur) entscheidungsbefugt sind.
Näheres und was auch für andere Bereiche zu verwenden ist, das findet man hier:
https://agile-verwaltung.org/?s=fl%C3%BCchtlinge
FÜNFTENS: Von dem Ignorieren der Historie, ohne die man keine Zukunft gestalten kann, über die vereinseitigte Deutung und Erfindung von Fakten bis zum vollkommenen Fehlen nichtautoritärer Lösungen reicht das Spektrum.
Damit will ich nicht sagen, Flüchtlinge seien per se gut, sondern sie sind beklagenswert. Und einige fühlen Hass auf die Zentren der Welt.
Aber Meinungsmacher wie Sarrazin verschärfen, selbst wenn sie gegen Merkel und die da oben schimpfen, die Situation und vertiefen eine Weltsicht, die Didier Eribon so charakterisiert:
Die entfremdete Weltanschauung (den Ausländern die Schuld geben) verdrängt den politischen Begriff (gegen die Herrschaft ankämpfen).
Quelle: Jürg Ackermann befragt Thilo Sarrazin luzernerzeitung.ch
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"unpiq" ist in diesem fall das einzig sachgerechte. danke. vielleicht hat "unpiq" einen eigenen kanal verdient (anregung)?
top Achim! Richtig super das!