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Fundstücke

Was arm sein in einer reichen Stadt wie Hamburg bedeutet

Alexandra Endres
Journalistin
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Alexandra EndresSonntag, 21.10.2018

Hans Berling, Geschäftsführer eines Nachbarschaftszentrums im Hamburger Stadtteil Jenfeld, arbeitet seit fast 30 Jahren mit armen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Ruth Eisenreich hat für die ZEIT mit ihm darüber gesprochen, was Armut für die Familien in Jenfeld bedeutet, und das Ergebnis (zwar kostenfrei, aber leider nur für eingeloggte User zugänglich) ist unbedingt lesenswert.

Auszüge:

Berling: Fast jedes Kind im Stadtteil ist arm, da hat sich gar nichts verändert. Die Langzeitarbeitslosigkeit und damit auch die Armut haben sich eher verfestigt. Deutlich verschlechtert hat sich die psychische Gesundheit der Kinder und der Eltern. Der Anteil hochauffälliger Kinder hat deutlich zugenommen, oft kommen wir mit unserem sozialpädagogischen Handwerkszeug nicht mehr weiter, sondern müssen uns therapeutische Unterstützung holen.

ZEIT: Haben Sie eine Erklärung dafür?

Berling: Bei den Eltern liegt es vor allem daran, dass sie in einem prekären Leben verhaftet sind. Es gibt zum Teil seit Generationen diese Hoffnungslosigkeit. Wie schwer die psychischen Folgen von Armut und Perspektivlosigkeit wiegen, wurde schon vor Jahrzehnten untersucht, das ist aktueller denn je.

Obwohl viele Eltern in Jenfeld alles tun, um ihren Kindern eine gute Schulausbildung und ein gutes Leben zu ermöglichen, entkommen viele Familien der Armut nicht. Zu Bering kommen heute die Kinder derer, die er früher betreute. Was würde ihnen helfen? 

Berling: Der Kerngedanke der Hartz-Gesetze war das Fördern und Fordern, da ging es darum, die Eigenverantwortung zu steigern. Es hat aber nicht funktioniert. Ich habe auch keine wirkliche Idee – die Menschen sind ja auf staatliche Leistungen angewiesen. Am System zu schrauben wird nichts bringen. Helfen würde nur, wenn die Leute in Lohn und Brot wären und von ihrem Lohn auch wirklich leben könnten.

ZEIT: Woran man schrauben müsste, sind die Löhne?

Berling: Für ein selbstbestimmtes Leben brauche ich eine Arbeit, von der ich ganz ohne Sozialleistungen leben kann. In der Realität reicht dafür leider auch der Mindestlohn nicht. Sobald man Sozialleistungen bekommt, ist man in einer gewissen Unselbstständigkeit gefangen.

ZEIT: Was würde den Familien, mit denen Sie zu tun haben, noch helfen?

Berling: Es gibt diese Bildungs- und Teilhabegutscheine, wo Eltern einen Antrag stellen können, damit ihr Kind für zehn Euro in der Woche Geigenunterricht bekommt. Aber es gibt keinen Geigenunterricht für zehn Euro in der Woche. Das sind potemkinsche Dörfer. Helfen würde auch, wenn es statt des Stigmas Hartz IV ein Verständnis gäbe: Wir leben in einem schweinereichen Land, und davon sollen alle profitieren. Wir können es uns leisten, jemanden zu tragen, der nicht in der Lage ist zu arbeiten – und sogar jemanden, der es nicht will.

Das Interview lebt von seinen Zwischentönen, und von Berlings Klarheit. Oft fehle es in armen Familien an Eigenverantwortung, sagt er – und benennt die Verantwortung der Politik für die Misere ebenso klar.

Berling: Die Familien haben im Vergleich zur alten Sozialhilfe weniger Geld. Die Eigenverantwortung wird hochgehalten, "Sie müssen mit Ihrem Geld wirtschaften" – aber wie soll man bitte schön von Hartz IV wirtschaften und noch Geld zurücklegen für den Fall, dass die Waschmaschine kaputtgeht? Hier ist ein Großteil der Haushalte verschuldet, zum Teil extrem.

Was würde er tun, wäre er Sozialsenator?

Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen! (...) Und ich würde ... Schulen in sozialen Brennpunkten besonders gut ausstatten.

Was arm sein in einer reichen Stadt wie Hamburg bedeutet

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