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Volk und Wirtschaft

Deutsche Energiewende - ideologisch, teuer, technisch unreif

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlFreitag, 15.07.2022

Die gegenwärtige Gaskrise signalisiert das von vielen Experten prognostizierte Scheitern der deutschen Energiepolitik. Und zwar in einem dramatischen Knall, was vielleicht sogar gut ist. Ein Weckruf in letzter Minute kommt von zwei Professoren aus der Energietechnik. Der schnelle Ausstieg aus Kernenergie und Kohle kann so jetzt keine Option mehr sein. Vielleicht wird zukünftig ingenieurwissenschaftliche Analyse endlich ernst genommen.

Unsere Publikationen wurden ignoriert. Externe Experten haben immer gewarnt, Ideologie behindere die Energiewende. Man will beispielsweise keinen „lila Wasserstoff“, also Wasserstoff, der übergangsweise aus Abfallstoffen fossiler Prägung hergestellt würde und nicht aus Wind oder Sonne. Damit könnte die Transformation vom Erdgas zu Wasserstoff eingeleitet werden. Doch die Übergangslösung wird aus Prinzip abgelehnt, weil man von Anfang an „grünen Wasserstoff“ will, der aus Wind oder Sonne hergestellt wird. Aber größere Mengen sind vorerst utopisch.
Die grundsätzliche Erzählung, wir produzieren ja schon 40% unseres Stromes mit alternativen Energien, ignoriert einfach, dass dies zwar erstens über's ganze Jahr stimmt, aber eben nicht stabil in jedem Moment. Und das zweitens nur 20% unserer verbrauchten Energie aus Strom besteht. Summa summarum machen Wind und Sonne heute nur einen Anteil von rund acht Prozent unseres gesamten Energiebedarfes aus. Ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern bedeutet letztendlich aber eine "all electric"- Infrastruktur. Insofern steht die Energiewende ganz am Anfang und steckt voller Flausen.
Beckmann: Ein Fehler zieht sich durch die gesamte Planung der Energiewende: Die Größenordnung der Transformation wird permanent unterschätzt. Die Konzepte gründen anfangs auf brauchbaren Ideen, doch dann rechnen Experten nach und zeigen, dass sich die Ideen in den Dimensionen einer Industrienation nicht schnell genug umsetzen lassen, was aber gerne ignoriert wird.
Schwarz: Stimmt, und wenn sich dann zeigt, dass es bei einem technischen Problem nicht so schnell geht, wird ein neues Schlagwort in die Medien gebracht, und das Ganze geht von vorne los.
Ein Beispiel, ursprünglich ging man - um die Windenergie von den Parks zu den großen Verbrauchern zu transportieren - von einem zusätzlichen Bedarf von 900 km Stromleitungen auf der höchsten Spannungsebene aus. 
Mittlerweile hat die Deutsche Energieagentur den Bedarf an Leitungen auf 6000 Kilometer in der höchsten Spannungsebene und weitere 15.000 bis 20.000 Kilometer auf der mittleren Spannungsebene korrigiert. Nicht mal ein Fünftel davon konnten bislang realisiert werden, nach mehr als zehn Jahren.
Gegen neue Leitungen wird regional geklagt und so der Bau der verzögert oder unmöglich gemacht. Ein Verfahren, das beim Ausstieg aus der Atomenergie wunderbar funktioniert hat. Und so geht es mit den Problemen weiter. Man propagiert, dass Wind und Solar eine kostengünstige Lösung seien. Verschweigt aber, dass dies nur für den Strom gilt, der unmittelbar aus dem Solarpanel oder dem Windrad kommt - wenn er kommt. Ein sicher funktionierendes Energiesystem aber, das vollständig auf Erneuerbaren basiert, ist insgesamt äußerst aufwendig, materialintensiv und teuer. Leitungsnetze, Stromspeicher, die Erzeugung von Wasserstoff als Erdgas-Ersatz, Digitalisierung, Umbau der Wirtschafts- und Verkehrssektoren - all das zu realisieren braucht knappe Rohstoffe, viel Energie und spezialisierte Arbeitskräfte. Und technologisch sind die meisten Systeme noch nicht ausgereift.
Beckmann: Wir haben kaum Speicher für elektrische Energie. Kommen Windstille und Dunkelheit zusammen, fällt ohne fossile Energie oder Kernkraft der Strom aus, sofern vor allem Windkraft und Sonnenenergie die Quellen sind.
Schwarz: Alle Pumpspeicher-Kraftwerke in Deutschland zusammen können den Strombedarf in Deutschland gerade mal für 30 bis 60 Minuten decken. Der Bau eines Pumpspeichers dauert 15 bis 20 Jahre, sofern der Eingriff in die Landschaft überhaupt genehmigt wird. Mit dem Ausstieg aus Kohle und Kernenergie verlieren wir auch die bisherigen Speicher in Form von Kohlehalden und Brennstäben in den Kraftwerken, aus denen heraus wir in jeder Minute des Jahres genau den Strom erzeugen konnten, den wir in diesem Moment für die Verbraucher benötigten. 

Diese gewaltigen Mengen an Elektroenergie lassen sich absehbar nicht mit Batteriespeichern ausgleichen. Die Strategie, hierzu viele neue Gaskraftwerke zu bauen, scheitert gerade grandios. Genau wie die Vorstellung, Windkraftanlagen und Solarpaneele in großer Zahl über ganz Europaauszubreiten:
Zunächst sollten eine große Menge verteilt werden in Europa, um die Stromversorgung sicherzustellen. Weil die Wetterunterschiede aber nicht groß genug sind, Wind und Sonne in vielen Regionen tendenziell gleichzeitig Energie liefern oder eben nicht, lässt sich konstante Stromversorgung damit nicht sicherstellen.

Das Prinzip Hoffnung wäre auch hier hoch riskant. Ebenfalls aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es fehlt oft an ingenieurtechnischer Fachkompetenz in der Regierung. Es gibt kein Gefühl für Machbarkeit und Größenordnungen. Das wird meist durch ideologisches Wünschen und entsprechende Schlagworte ersetzt. Technische Kritik wird als grundsätzliche Feindschaft bzw. feindlicher Lobbyismus gegenüber der Energiewende interpretiert und bekämpft. Als positives Beispiel bei der Evolution der Infrastrukturen (nicht zu verwechseln mit den politischen Strukturen) nennen die Ingenieure ausgerechnet China, wo die Transformation im wesentlichen von Technikern geplant, getestet und auf stetig wachsende Maßstäbe gebracht werden. 
Schwarz: China hat klar erkannt, dass allein mit Wind und Sonne keine sichere Stromversorgung möglich ist und dass Speicher das Problem nur sehr bedingt lösen können. Deshalb hat China eine Mischung im Bereich der Erneuerbaren, die zu 75 Prozent aus Wasserkraft und zu 25 Prozent aus Wind und Sonne besteht. Ferner gibt es einen großen Anteil an Kernkraftwerken, und man hat nicht wie in Deutschland das Thema der CO2-Abtrennung bei der Kohleverstromung aufgegeben. Für den Teil Wind und Sonne hat China schon vor langer Zeit in Zhangbei eine große Versuchsanlage mit Batterien aufgebaut und erforscht, welchen Beitrag diese fluktuierenden Quellen zu einer sicheren Stromversorgung leisten können.

Die ganze Situation erinnert fatal an den Moment nach dem immer geleugneten Einmarsch Putins in die Ukraine. Eine Gefahr, vor der einige gewarnt haben und dafür z.B. als russophob diffamiert wurden. Hoffen wir, das J.v. Altenbockum in der FAZ recht behält und Deutschland aus seiner Wünsch-Dir-was-Politik erwacht. Und sei es im Panikmodus …..
Deutsche Energiewende - ideologisch, teuer, technisch unreif
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