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Flucht und Einwanderung

Warum die Rassismus-Debatte (und sogar die Existenz der AfD) ein gutes Zeichen sein könnte

Alexandra Rojkov
Journalistin

Alexandra Rojkov wurde in St. Petersburg geboren und kam als Kontingentflüchtling nach Deutschland. Als Journalistin hat sie mehrere Jahre im Nahen Osten gelebt und schreibt aktuell vor allem über Konflikte und Migration, u.a. für DIE ZEIT, das Magazin der Süddeutschen Zeitung und Geo.

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Alexandra RojkovMontag, 30.07.2018

Mein Kollege J. Olaf Kleist empfahl gestern eine Kolumne von Ferda Ataman. Ataman schreibt darin: Die aktuelle Integrationsdebatte beweise, dass Integration funktioniert.

Die These stammt von dem Integrationsforscher Aladin El-Mafaalani. Er hat dem SPIEGEL ein Interview gegeben, das so interessant ist, dass ich es an dieser Stelle getrennt empfehlen möchte.

El-Mafaalani sagt in dem Gespräch: Integration gelinge in Deutschland derzeit so gut wie nie – trotz der Debatte um Özil. Denn das Bewusstsein für Diskriminierung steige mit der Teilhabe an der Gesellschaft. Als Beispiel wählt er die Sechzigerjahre, als Frauen massiv benachteiligt waren – das selbst aber selten so empfanden. Je mehr die Gleichberechtigung gesellschaftlicher Konsens wurde, desto stärker pochten die Frauen auf ihr Recht. Im Umkehrschluss bedeutet das laut El-Mafaalani:

„Je weniger sich eine benachteiligte Gruppe in Umfragen selbst als diskriminiert bezeichnet, desto besorgniserregender ist ihre tatsächliche Situation. Zurzeit gilt das am ehesten für Menschen mit Behinderung.“

Gleichzeitig plädiert er zum Beispiel dafür, mehr über Inhalte zu streiten, und weniger über politisch korrekte Sprache.

„Der Aufschrei, der auf jeden Verstoß folgt, schließt auch Menschen aus – die Benachteiligten, die die immer komplexer werdende Sprache noch nicht beherrschen.“

Selbst der Erfolg der AfD ist für El-Mafaalani Ausdruck gelungener Integration. Je kleiner die Differenz zwischen den Menschen werde, sagt der Soziologe, desto stärker sei ihr Drang, diese Differenz zu betonen. Die Anhänger der AfD können sich nicht damit abfinden, dass Migranten nun auf Augenhöhe mit am Tisch sitzen. Plakativ gesagt:

„Das Kopftuch war kein Problem, solange nur die muslimische Putzfrau eins trug. Zum Problem wurde es, als Frauen mit Kopftuch Lehrerinnen wurden.“

Integration sei wie der Aufstieg auf einen Berg: Je weiter man kommt, desto müder werden die Beine. Doch der Gipfel rückt immer näher.

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Kommentare 4
  1. Emran Feroz
    Emran Feroz · vor mehr als 6 Jahre

    Dass jemand in diesem Kontext positive Worte findet, finde ich ja eigentlich gut. Die Sache ist nur, dass viele, die von all dem tagtäglich betroffen sind, es mittlerweile satt haben. Viele Menschen mit "internationaler Erfahrung" (wie El-Mafaalani den M-Hintergrund umschreibt) können den Begriff "Integration" und die damit verbundene "Debatte" nicht mehr hören. Ich finde, dass auch dies anerkannt werden sollte. Man sollte auch mal versuchen, sich zu fragen, warum das mittlerweile so ist und warum es derart viele Menschen gibt, die all das nicht mehr ernst nehmen können.

    1. Alexandra Rojkov
      Alexandra Rojkov · vor mehr als 6 Jahre

      Danke für Deinen Kommentar. Ich wollte mit dem Piq nichts relativieren: Rassismus ist ein riesiges Problem und ich kann mir nur vorstellen, wie zermürbend ein Leben damit sein muss. Aber Piqd will unterschiedliche Positionen und Blickwinkel aufzeigen – und das tut das Interview meiner Meinung nach. So anstrengen, schwierig, und manchmal traurig es ist: Das Thema bewegt viele Menschen. Ich kann gut verstehen, dass Du die Debatte satthast. Aber was wäre eine Alternative? Nicht mehr debattieren?

  2. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor mehr als 6 Jahre

    Ziemlich erfrischend, einen positiven Ausblick auf das Problem zu lesen, das macht Hoffnung. Auch in Bezug auf den Rücktritt von Özil: "Damit das passieren konnte, musste ein türkischstämmiger Fußballer zunächst mal zum deutschen Nationalspieler werden. Wenn Integration gelingt, wird die Gesellschaft nicht homogener, nicht harmonischer, nicht konfliktfreier. Im Gegenteil. Immer mehr und immer unterschiedlichere Menschen sitzen am Tisch und wollen ein Stück vom Kuchen. Wieso sollte es ausgerechnet jetzt harmonisch werden?" Ich frage mich allerdings, ob sich diese Beobachtung in Bezug auf Länder wie die USA bestätigen lässt.

    1. Alexandra Rojkov
      Alexandra Rojkov · vor mehr als 6 Jahre

      Auf die USA könnte das Modell noch passen, auf Länder wie Ungarn oder Polen schon nicht mehr. Trotzdem: Mir scheint seine These zumindest im Bezug auf Deutschland nicht abwegig.

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