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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Das Gespräch ist etwas älter, aber noch aktuell. Bekanntlich beginnt und endet die Frankfurter Buchmesse mit jeweils einer Preisverleihung: dem deutschen Buchpreis, den dieses Jahr Bodo Kirchhoff erhielt für eine Novelle, in der die Situation der Flüchtenden aufscheint, und zum Schluss bekommt Carolin Emcke den Friedenspreis des Deutsches Buchhandels. Ihre Position zu Flucht und Vertreibung kann man gut in diesem Gespräch erfahren; etwa wenn sie mit Foucault ihre Position erläutert. Der hatte bereits 1979 die zahlreichen Flüchtenden, Vertriebenen und Emigranten als Vorboten des 21. Jahrhundert gedeutet. Der dritte Band seiner Schriften ist eine Fundgrube!
Ich habe Foucault vielmehr so verstanden, dass es gar nicht um konkrete Fluchtursachen geht, sondern um eine paradigmatische Konstellation für die Gegenwart und Zukunft. Wellenartige Fluchtbewegungen erleben wir permanent, nicht ausnahmsweise. Zwar können wir die spezifischen Fälle in Syrien, Afghanistan oder Eritrea analysieren, aber mit Foucault wäre es sinnvoll über die gesamte Architektur globaler Beziehungen nachzudenken. Die Frage zum Kolonialismus wäre zudem: Ist es angebracht, gegenwärtige Verantwortung allein aus der historischen Schuld eines einzelnen Nationalstaats abzuleiten? Oder ergibt sich Verantwortung nicht schon aus der existierenden Not und unserer postnationalen, europäischen Fähigkeit zur Hilfe? Ein ehrlicher Blick auf die gegenwärtigen Bedingungen der globalen Finanzwirtschaft, aber auch des Klimawandels würde zudem gewisse neokoloniale Konstellationen wahrnehmen, aus denen sich ebenfalls Verantwortung ergibt. Es ist ja durchaus ironisch, dass Länder des Südens erst nach Rohstoffen und billigen Arbeitskräften ausgeschöpft werden, sobald diese Menschen aber hierherkommen, um Schutz und Arbeit zu suchen, wird auf sie reagiert, als beuteten sie den hiesigen Arbeitsmarkt aus. Allein ein Verweis auf die historische Verantwortung aufgrund des Kolonialismus reicht da nicht aus.
Quelle: Carolin Emcke und Herfried Münkler. Das Gespräch führte Nils Markwardt Bild: Marcus Höhn philomag.de
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