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Von wegen amerikanisches Trauma: Ein geniales Romandebüt hält "Apocalypse Now" den Spiegel vor
Musikjournalist
Kurator'in für: Pop und Kultur Zeit und Geschichte Fundstücke
Fabian Peltsch interessiert sich für globale Popkultur-Perspektiven jenseits von World-Music-Klischees. Er ist Redakteur bei Table.Media in der China-Redaktion und schreibt daneben regelmäßig für Rolling Stone, Musikexpress, Mint, Fluter und die Welt.
Viet Thanh Nguyen war ungefähr zehn, als er Francis Ford Coppolas größenwahnsinnigen Kriegsfilm "Apocalypse Now" zum ersten Mal sah. Ein traumatisches Schlüsselerlebnis für den in Vietnam geborenen und in den USA aufgewachsenen Schriftsteller:
Ich habe mich anfangs mit den US-Soldaten identifiziert. Doch irgendwann begriff ich, dass ich nicht einer von ihnen war, sondern einer von denen, die ständig umgebracht wurden. (...) Der Film repräsentiert, wie Amerikaner über den Vietnamkrieg denken. Dass ihre eigenen Erfahrungen entscheidend sind, und die Vietnamesen nur den Background für das große amerikanische Drama bilden.
In seinem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Romandebüt "Der Sympathisant" wagt Nguyen einen entwaffnenden, aberwitzigen und oftmals bitteren Rundumschlag gegen den rassistischen Narzissmus Hollywoods. Die Rahmenhandlung des 528 Seiten starken Buches dreht sich um den Sohn einer vietnamesischen Bäuerin und eines französischen Missionars, der hin-und hergerissen zwischen "Orient und Okzident" die Fähigkeit entwickelt, "alles von zwei Seiten zu betrachten" und nach dem Ende des Vietnamkrieges als kommunistischer Doppelagent in den USA tätig wird. In einer tragikomischen Wendung wird der "Mann mit zwei Gesichtern" schließlich Berater eines Vietnam-Kriegsfilms. Er soll das Drehbuch "authentischer" machen und findet sich am Drehort auf den Philippinen unter Komparsen wieder, die sich als echte vietnamesische Kriegsflüchtlinge entpuppen und für einen Dollar pro Tag Vietcong-Vergewaltigungen und Plünderungen nachstellen müssen, während sich die amerikanische Filmcrew in Hedonismus und Selbstbespiegelung verliert.
In der polarisierenden Ära Trump wirkt Nguyens Perspektivwechsel auf die westliche Deutungshoheit von Geschichte geradezu heilsam, angefangen bei einem Krieg, der in den USA nur "Vietnam" genannt wird, im Land, in dem er stattfand jedoch als "amerikanischer Krieg" in die Geschichtsbücher einging.
Quelle: Marcus Müntefering Bild: AP spiegel.de
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